Politik

Schicksal afghanischer Helfer JU-Chef kommt bei Lanz ins Schlingern

2015 dürfe sich nicht wiederholen, warnte kürzlich der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban.

2015 dürfe sich nicht wiederholen, warnte kürzlich der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Lage in Afghanistan bleibt chaotisch. Die Bundeswehr beendet ihre Mission - doch wie wird es nun weitergehen? Bei Markus Lanz wird über die Zukunft der afghanischen Ortshelfer diskutiert. Eine denkbar schlechte Figur macht dabei der Vorsitzende der Jungen Union.

Es sind dramatische Bilder. Um 16.29 Uhr am Donnerstag heben die letzten Bundeswehrmaschinen vom Flughafen in Kabul ab. Die Afghanistan-Mission ist zu Ende, jedenfalls aus deutscher Sicht. Zurückgelassene Ortshelfer sollen nun auf andere Art und Weise aus dem Land geholt werden, kündigt Außenminister Heiko Maas an. Aber was sind das für Menschen? Und was wird nun mit ihnen passieren? Darüber diskutierte am Donnerstagabend Markus Lanz im ZDF mit seinen Gästen.

Bundeswehrhauptmann Marcus Grotian hatte bereits im Mai die Bundesregierung aufgefordert, die Ortshelfer in Kabul nicht im Stich zu lassen. Bei Markus Lanz erzählt er, er habe ab Anfang Juni insgesamt fünf Briefe an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, in denen er auf die Situation der afghanischen Helfer aufmerksam machte. Niemand habe geantwortet.

Ortshelfer seien für den Einsatz der Bundeswehr dringend erforderlich. "Ohne sie können wir nichts bewirken", sagt Grotian. Sie seien zum Beispiel Übersetzer von Sprache und Kultur, sie seien aber auch für Überwachungsaufgaben zuständig gewesen. "Viele militärische Aufgaben werden durch sie erst möglich", so Grotian. Die Ortshelfer werden von verschiedenen deutschen Ministerien angestellt, oft per Vertrag. Dass sie das Land irgendwann verlassen müssten, sei ihnen nicht klar gewesen. Sie hatten auf eine erfolgreiche Mission gehofft. Das gelte auch bei anderen Einsätzen der Bundeswehr. Grotian appelliert: "Wenn jemand in einem Arbeitsverhältnis mit uns steht, schulden wir ihm auch ein gewisses Entgegenkommen." Denn Ortskräfte müssten immer da sein, wenn sie gebraucht würden.

"Das war völlig gaga"

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Luise Strack-Zimmermann kritisiert in diesem Zusammenhang die "komplette Verantwortungsdiffusion". Insgesamt seien vier Ministerien für das Ende des Afghanistan-Einsatzes verantwortlich gewesen, erklärt sie. Bereits Ende April habe die Bundeswehr Nordafghanistan verlassen. Den Ortshelfern vor Ort habe man dann geraten, wegen notwendiger Visa nach Kabul zu reisen.

"Das war doch völlig gaga. Das sind da in Afghanistan keine blühenden Landschaften, durch die Sie einfach mal reisen können", sagt sie. Es seien vor allem Innenminister Horst Seehofer und der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Gerd Müller gewesen, die während des Wahlkampfs keine Flüchtlinge aus Afghanistan nach Deutschland lassen wollten. Beide Minister gehören übrigens der CSU an.

Darüber ist auch der Soziologe und Migrationsforscher Gerald Knaus entsetzt. Er wirft Bundesinnenminister Seehofer vor, dieser habe noch einen Tag, bevor die US-Regierung das Ende ihrer Mission für den 31. August ankündigte, Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abschieben wollen.

Die Flüchtlingsangst des JU-Chefs

Eine denkbar schlechte Figur macht der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban. Zwar macht er klar: "Wir müssen jetzt noch schnellstmöglich diejenigen retten, die wir retten können." Aber auf die Situation der Geflüchteten und seine Aussage angesprochen, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, kommt er ins Schlingern.

Er habe damit gemeint, dass man den Menschen heute vor Ort in den Flüchtlingslagern helfen müsse. Damals mussten die Menschen in den Lagern hungern. Und während der Flüchtlingswelle seien viele Menschen ungeplant auf die Kommunen verteilt worden. Die seien völlig überlastet gewesen. Dadurch seien Menschen wie der Attentäter vom Breitscheidplatz in Berlin, Anis Amri, mit mehreren Identitäten durch Deutschland gereist.

Diese Aussage bringt ihm heftige Kritik vom Moderator und seinen Gästen ein. Amri war in Wahrheit 2011 nach Deutschland eingereist und als Straftäter bekannt gewesen. Afghane war er auch nicht. Die afghanischen Ortshelfer und den Kriminellen Amri dürfe man nicht in einem Atemzug nennen, meint denn auch die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann. Kuban lenkt schnell ein: "Die Ortshelfer sind ja unsere Freunde, denen müssen wir helfen."

"Für Flüchtlinge sind viele Grenzen verschlossen"

Eine neue Flüchtlingswelle, wie sie Kuban befürchtet, sieht Experte Knaus nicht. Im Gegenteil. "Viele Grenzen sind für Flüchtlinge heute verschlossen", sagt er. Viele Länder in Europa weigern sich, Geflüchtete aufzunehmen. In Ländern wie Österreich fehle "jedes Zeichen von Humanität". Aber: "Was Mut macht in Deutschland: Wir sehen hier eine neue Welle der Empathie", sagt Knaus. "Ziel der deutschen Außenpolitik sollte es sein, die zurückgelassenen Menschen in Afghanistan nicht zu vergessen", so der Soziologe.

Und Grotian fordert für zukünftige Bundeswehreinsätze: "Wir müssen uns ehrliche Ziele setzen." Das sei Sache der Politik. Und die zuständigen Politiker müssten den Soldaten ihre Einsatzziele besser erklären, sagt er. "Wir müssen klar sagen können, was wir mit einem Einsatz erreichen wollen. Dann sind Soldaten auch bereit, notfalls ihr Leben zu lassen."

Quelle: ntv.de

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