Politik

"Ein massives Experiment" Johnson verkündet Ende der Corona-Regeln

Johnson hat es eilig.

Johnson hat es eilig.

(Foto: REUTERS)

Nach 16 Monaten soll in England das Leben nach der Pandemie wieder so sein wie vorher: mit offenen Pubs und Discos, vollen Stadien und ohne Abstandsregeln und Maskenpflicht. Die Pläne von Premier Johnson begeistern die Wirtschaft. Doch Fragen bleiben.

Ungeachtet steigender Infektionszahlen will der britische Premierminister Boris Johnson zurück in den Vor-Corona-Modus. Experten haben skeptisch auf seine beispiellosen Pläne zum Ende aller Corona-Maßnahmen in England reagiert. Das Land befinde sich damit in unbekanntem Territorium, sagte die Virologin Devi Sridhar dem Sender Sky News. "Dies ist ein massives Experiment, und die Welt wird genau beobachten, was passiert, wenn eine neue, dominante Variante auftritt."

Johnson hatte angekündigt, dass vom 19. Juli an in England alle Corona-Maßnahmen aufgehoben werden sollen. Damit fallen Abstandsregeln und Maskenpflicht weg, Nachtklubs dürfen wieder öffnen, Pubs können Gäste auch an der Bar bedienen. Für Kinos, Stadien, Theater und Veranstaltungen gilt keine Platzbeschränkung mehr. Voraussetzung ist, dass eine Überprüfung der Pandemie-Daten am 12. Juli keinen Grund für neue Verzögerungen liefert. Zudem will die Regierung bald bekannt geben, ob voll geimpfte Einreisende aus Ländern auf einer "gelben Liste" wie Deutschland sich weiterhin nach Ankunft für zehn Tage in häusliche Quarantäne begeben müssen.

Wissenschaftler und Gewerkschaften kritisierten vor allem, dass die Maskenpflicht aufgehoben werden soll. Ein Verband, der Angehörige von Corona-Opfern vertritt, warf Johnson vor, er handle, als sei die Pandemie besiegt. Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei nannte Johnsons Pläne "rücksichtslos". Wirtschaftsvertreter zeigten sich hingegen erfreut und erleichtert. Die Gastronomie- und Tourismusindustrie werde die Ankündigung feiern, sagte die Chefin des Branchenverbands UK Hospitality, Kate Nicholls.

Laut dem Kneipenverband British Beer and Pub Association können mehr als 2000 Pubs öffnen, die wegen strenger Abstandsregeln derzeit immer noch geschlossen haben. Für die Veranstaltungsbranche sagte der Chef des Branchenverbands Night Time Industries Association, Michael Kill, der Schritt sei längst überfällig. Der Industrieverband CBI mahnte, Unternehmen müssten die Sicherheit ihrer Angestellten weiterhin an erste Stelle setzen.

Impf-Abstand wird verkürzt

Premier Johnson erklärte, das Impfprogramm habe geholfen, die Verbindung zwischen Neuinfektionen und Todesfällen deutlich zu schwächen. Bis zum 19. Juli sollen alle Erwachsenen in Großbritannien eine erste Corona-Impfung angeboten bekommen, zwei Drittel sollen dann die für den vollen Schutz als notwendig erachteten zwei Dosen erhalten haben. Um das Tempo anzutreiben, soll die Zeit zwischen den beiden Spritzen für unter 40-Jährige von zwölf auf acht Wochen gesenkt werden.

In Großbritannien steigen die Infektionszahlen seit Wochen wieder stark an, am Montag meldeten die Behörden 27.334 neue Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Neuinfektionen pro 100.000 Menschen binnen einer Woche, wurde zuletzt mit 229,9 angegeben (Stand: 30. Juni). Grund dafür ist die hoch ansteckende Delta-Variante, die in Großbritannien inzwischen fast alle Fälle ausmacht.

Gesundheitspolitik ist im Vereinigten Königreich Sache der Regionalregierungen. Johnson ist für den größten Landesteil England verantwortlich, der keine eigene Regierung hat. Schottland, Wales und Nordirland entscheiden hingegen selbst über ihre Corona-Maßnahmen.

Quelle: ntv.de, ino/dpa

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