Frischer Wind in Großbritannien? Johnsons Berater sucht Team aus "Spinnern"
03.01.2020, 14:58 Uhr
Der Chefstratege des britischen Premiers Johnson, Dominic Cummings, hat große Pläne.
(Foto: picture alliance/dpa)
Dominic Cummings sucht ein "ein kleines, merkwürdiges Team". Der Kopf hinter den Erfolgen des britischen Premiers will die Politik mit einer Art Startup aufmischen und verfasst dafür eine eigenwillige Stellenausschreibung, die tief blicken lässt.
Datenwissenschaftler, Projektmanager, Kommunikationsexperten und "ausgewählte Spinner". Eine ungewöhnliche Stellenausschreibung des wichtigsten Beraters von Premierminister Boris Johnson sorgt in Großbritannien derzeit für Wirbel und lässt erahnen, wohin die politische Reise geht. Die britische Regierung brauche rasch hoch qualifizierte Mitarbeiter, um die Herausforderungen durch den EU-Austritt zu bewältigen, schrieb Dominic Cummings auf seinem privaten Blog: "Der Brexit macht viele große Veränderungen in politischen Strategien und der Struktur der Entscheidungsfindung notwendig."
Vor allem Fähigkeiten aus der Physik, Mathematik, Wirtschaft, Informatik und der Werbebranche sind demnach gefragt. Aber auch "supertalentierte Spinner" hätten eine Chance auf einen Job in der Downing Street No. 10, so Cummings. "Wir brauchen ein paar echte Joker, Künstler, Leute, die nie zur Universität gegangen sind und sich aus einem widerwärtigen Höllenloch gekämpft haben", schrieb der Johnson-Berater. Bewerben kann man sich einfach per E-Mail an ideasfornumber10@gmail.com unter dem Stichwort "Job".
Der Wahlkampfstratege Cummings gilt als genialer, aber auch gefährlicher Kopf hinter dem überwältigenden Erfolg Johnsons bei der Parlamentswahl im Dezember und dem Brexit-Votum im Jahr 2016. Er macht seit Langem keinen Hehl daraus, dass er den Verwaltungsapparat in Großbritannien für unfähig hält und komplett umkrempeln will. Nun hat er Gelegenheit dazu. Ganz offen beschreibt er in seinem Blogeintrag, wie günstig die Situation für große Veränderungen derzeit in dem Land ist.
Cummings ist bereit, Risiken auf sich zu nehmen
Einerseits ist da der Brexit, den viele Briten einfach nur noch hinter sich haben wollen - worauf Cummings ja auch die Wahlkampfstrategie Boris Johnsons aufbaute. Und andererseits haben der Premierminister und sein Stratege sich bei eben diesen Wahlen eine überwältigende Mehrheit gesichert. Für Cummings bedeutet das, keine Angst vor "kurzfristiger Unbeliebtheit" haben zu müssen, während er "langfristige Probleme" angehe - er und einige andere Regierungsmitglieder seien bereit, Risiken auf sich zu nehmen, "um Dinge sehr zu verändern".
Damit meint das "böse Genie", wie Cummings in Großbritannien genannt wird, längst nicht nur Veränderungen wie den Brexit. Er denkt in noch größeren Maßstäben. Cummings will die Strukturen hinter den politischen Kulissen neu gestalten. Dabei orientiert er sich ganz offensichtlich an Vorstellungen und Denkern aus dem Dunstkreis des Silicon Valley. So bezieht er sich in seinem Blogeintrag an einer Stelle auf Peter Thiel, PayPal-Gründer und Trump-Unterstützer. Cummings will dem regeltreuen britischen Bürokratieapparat eine Art politisches Startup entgegensetzen.
Große Organisationen seien schwerfällig und wenig innovativ, sind sich Thiel, viele andere Tech-Entrepreneure und offenbar auch Cummings einig. Wirklich gute Ideen dagegen sind in ihren Augen riskant, bahnbrechend und nur für die wenigsten als gute Idee zu erkennen. Diese "disruptiven Innovationen", die ganze Branchen auf den Kopf stellen, will Cummings offenbar auch in der Politik. Und dafür brauche er in der Downing Street ein "kleines, eigenartiges Team", schreibt der Chefstratege.
"Es wird schwer sein, einen Freund zu haben"
Wenn man herausfinden wolle, was die Figuren um Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Schilde führten oder wie kriminelle Banden Schlupflöcher im Grenzschutz ausnutzten, brauche man keine Englisch-Absolventen von Eliteuniversitäten, die bei Dinnerpartys gelehrte Unterhaltungen führen könnten. Er wisse nicht genau, nach wem er suche, schreibt Cummings, aber er habe hohe Ansprüche.
Für die Stelle seines persönlichen Assistenten wünscht sich der Brite "eine SEHR intelligente junge Person", um die 21 Jahre, mit großer Aufopferungsbereitschaft: "Sie werden keine freien Abende unter der Woche haben, Sie werden viele Wochenenden opfern - offen gesagt, es wird schwer sein, überhaupt einen Freund/eine Freundin zu haben." Der Lohn seien Einblicke, wie sie die meisten Menschen ihr ganzes Leben nicht bekämen. Allerdings seien genauso Aufgaben zu erledigen, "die mein Leben erleichtern, aber die Sie nicht genießen werden", bekannte Cummings.
Quelle: ntv.de, lwe/dpa