Nach vorgetäuschtem Mord Journalist Babtschenko will Ukrainer werden
31.05.2018, 19:56 Uhr
Arkadi Babtschenko ist dem ukrainischen Staat und dessen Präsidenten Poroschenko (im Hintergrund) sehr dankbar.
(Foto: REUTERS)
Seine Auferstehung von den Toten hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Der russische Journalist Babtschenko glaubt fest daran, dass mit seinem inszenierten Mord ein reales Attentat vereitelt wurde. Seiner Dankbarkeit für den ukrainischen Staat lässt er nun Taten folgen.
Nach seiner vorgetäuschten Ermordung in Kiew will der kremlkritische Journalist Arkadi Babtschenko die ukrainische Staatsbürgerschaft annehmen. Er habe einem entsprechenden Vorschlag der Behörden zugestimmt, sagte der 41-Jährige bei einer Pressekonferenz. Dies abzulehnen wäre unhöflich, sagte er der Agentur Interfax zufolge. "Dieses Land hat mir einen Ort zum Wohnen gegeben, hat mir Asyl gewährt und hat einen Spezialeinsatz geplant, um mein Leben zu retten", sagte Babtschenko. "Dafür bin ich dankbar."
Die angebliche Ermordung Babtschenkos am Dienstagabend vor seiner Wohnung in Kiew war inszeniert. Am Mittwoch erschien er überraschend und unversehrt bei einer Pressekonferenz des Inlandsgeheimdienstes SBU. Der fingierte Anschlag sei ein Spezialeinsatz gewesen, um Aktivitäten russischer Geheimdienste aufzudecken, hieß es. Das Manöver der Ukraine hat international scharfe Kritik ausgelöst.
Journalistenverbände zeigten sich empört über die Irreführung. "Solche Inszenierungen sind ein Stich ins Mark der Glaubwürdigkeit des Journalismus", warnte die Organisation Reporter ohne Grenzen. Es sei unglaubwürdig, dass ein möglicher Mordanschlag nicht anders als durch dessen Vortäuschen verhindert werden könne. Die Internationale Journalistenföderation (IFJ) erklärte in Brüssel, Ziel von Journalisten sei es, "die Wahrheit zu suchen". Jede Manipulation von Informationen könne der Glaubwürdigkeit der Medien sowie dem Journalismus insgesamt "dramatisch schaden", warnte der Dachverband nationaler Journalistenverbände, der 600.000 Mitglieder in 146 Ländern vertritt. Abgesehen von möglichen ernsthaften diplomatischen Konsequenzen befördere der Vorfall "die Idee, dass Journalisten und Politiker sich verschwören", kritisierte die IFJ. Es sei "untragbar, Journalisten in aller Welt anzulügen und Millionen Bürger in die Irre zu führen", erklärte IFJ-Generalsekretär Anthony Bellanger.
Babtschenko sagte bei der Pressekonferenz in Kiew, ihm sei es angesichts der Drohungen gegen ihn darum gegangen, "am Leben zu bleiben" und seine Familie in Sicherheit zu wissen. "Journalistische Standards, das war das letzte, woran ich in diesem Moment gedacht habe", fügte er hinzu und versicherte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu "hassen". Putin sei "für mehrere Kriege und tausende Tote verantwortlich". Er selbst habe Angehörige, Kollegen und Freunde begraben müssen und habe genug davon. Die Operation der ukrainischen Sonderdienste, an deren Version er glaube, sei vor einem Monat vorbereitet worden.
Spiel "mit Leben und Tod"
Der ukrainische Ministerpräsident Wladimir Groisman hatte nach Bekanntwerden des angeblichen Mordes am Dienstag den Verdacht in Richtung Moskau gelenkt, wo jegliche Beteiligung bestritten wurde. Nach Bekanntwerden des fingierten Morde sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, sein Land tue alles, um sich zu verteidigen. Er meinte, die Schuld trage Russland.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kommentierte, es sei offensichtlich, dass die Aktion einen Propagandaeffekt habe. In einer Mitteilung des Ministeriums hieß es, die Ukraine spiele mit Leben und Tod sowie mit dem Vertrauen der internationalen Gemeinschaft und verbreite antirussische Hysterie. Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte, der ukrainische Geheimdienstchef solle für seine Aussagen geradestehen.
Der Kriegsreporter und Schriftsteller Babtschenko ist als scharfer Kritiker der Regierung in Moskau bekannt. Er hat viel über den verdeckten russischen Krieg in der Ostukraine und das Eingreifen in Syrien geschrieben. 2017 war er aus Russland geflohen. "Taktisch mag die Geheimdienstaktion ein Erfolg gewesen sein. Strategisch aber war es gewiss keine gute Idee, dass Kiew mit der Empathie seiner engsten Partner gespielt hat", sagte der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der europapolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Andrej Hunko, sprach von einem "zynischen Budenzauber" und forderte eine internationale Untersuchung der Vorgänge.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa