Politik

Vater auf Weg zu Pazifikinsel Assanges Kinder wissen nur von einer "riesigen Überraschung"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Assanges Frau Stella vor zwei Jahren mit den gemeinsamen Söhnen Max und Gabriel.

Assanges Frau Stella vor zwei Jahren mit den gemeinsamen Söhnen Max und Gabriel.

(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)

Julian Assange ist nach dem Deal mit der US-Justiz aufgeregt und besorgt zugleich. Den beiden gemeinsamen Kindern verrät seine Frau zur Sicherheit noch gar nicht, dass sie ihren Vater bald zum ersten Mal außerhalb von Gefängnismauern sehen dürfen. Erst einmal muss der aber auf die Pazifikinsel Saipan.

Die fünf und sieben Jahre alten Kinder von Julian Assange wissen bisher nicht über die Freilassung ihres Vaters aus jahrelanger Haft Bescheid. "Ich habe ihnen nur gesagt, dass es eine riesige Überraschung gibt", sagte die Ehefrau des Wikileaks-Gründers, Stella Assange, der BBC in einem Interview aus Sydney. Sie habe lediglich auf dem Weg zum Flughafen in London erzählt, dass die Familie nach Australien fliege, um ihre Großeltern zu treffen.

Die Kinder hätten ihren Vater nie außerhalb seines Londoner Hochsicherheitsgefängnisses gesehen. "Alle ihre Interaktionen mit Julian haben in einem Besucherraum im Gefängnis Belmarsh stattgefunden", sagte Stella Assange. "Es war immer nur für etwas mehr als eine Stunde. Es war sehr restriktiv."

Bruder: "Er war sehr aufgeregt"

Weil der Deal, den Assange mit der US-Justiz geschlossen hat, so heikel sei und noch von einer US-Richterin abgesegnet werden müsse, sei die Familie sehr vorsichtig vorgegangen. "Sie wissen es immer noch nicht. Wir sind sehr vorsichtig, denn natürlich kann niemand einen Fünf- und einen Siebenjährigen davon abhalten, es jederzeit von den Dächern zu schreien", sagte Stella Assange.

Julian Assange selbst ist nach Angaben seines Halbbruders vor seiner bevorstehenden Rückkehr nach Australien aufgeregt, aber gleichzeitig auch ängstlich. "Julian hat sich auf diesen Flug vorbereitet, und er war sehr aufgeregt, aber auch ein wenig besorgt, vor allem aber aufgeregt, nach all den Jahren frei zu sein", sagte Gabriel Shipton dem australischen Sender ABC. "Hoffentlich ist er bald zu Hause. Er ist jetzt fast wieder zurück, also glaube ich wirklich nicht, dass es da noch Probleme geben wird."

Der Australier Assange war nach Wikileaks-Angaben am Montagnachmittag in London Stansted in Richtung Bangkok aufgebrochen, wo er demnach vor seiner erwarteten Rückkehr in die Heimat einen Zwischenstopp einlegte. Am Mittwoch steht ein Gerichtstermin auf der Pazifikinsel Saipan an, bei dem eine Einigung über seine Freilassung mit den US-Justizbehörden abgesegnet werden soll.

Auf Weg zu US-Außengebiet im Westpazifik

Saipan gehört zu den Nördlichen Marianen, einem US-Außengebiet im westlichen Pazifik. Diese Inselgruppe liegt etwa 70 Kilometer nördlich von Guam und erstreckt sich über mehr als ein Dutzend Inseln. Wie Guam oder Puerto Rico sind die Nördlichen Marianen ein Teil der USA, ohne den vollen Status eines Bundesstaates zu haben. Die Bewohner sind zwar US-Bürger, dürfen aber nicht an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen. Saipan beherbergt aber auch US-Bezirksgerichte. Dort soll Assange am Mittwoch um 9 Uhr Ortszeit vor Gericht erscheinen.

US-Staatsanwälten zufolge will Assange vor einem Gericht in der Nähe seiner australischen Heimat aussagen, aber nicht auf dem amerikanischen Festland erscheinen. Saipan hat den Vorteil, dass es relativ nahe an Australien liegt: Die Entfernung beträgt etwa 3000 Kilometer. "Er muss sich einer Anklage stellen, die nach amerikanischem Recht erhoben wurde", erklärt Emily Crawford, Professorin an der juristischen Fakultät der Universität Sydney. "Es muss das US-Territorium sein, das Australien am nächsten liegt und kein US-Bundesstaat wie Hawaii ist."

Insel war Kolonie Deutschlands

Die Insel hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zeitweise war sie eine Kolonie Spaniens, Deutschlands und dann Japans. Dann übernahmen die USA im Zweiten Weltkrieg nach der Schlacht von Saipan 1944 die Kontrolle. Nachdem die Insel jahrzehntelang unter amerikanischer Kontrolle stand, stimmten die Einwohner 1975 für den Beitritt zu den USA als Territorium. Die Nördlichen Marianen wählten 2008 zum ersten Mal einen Abgeordneten in das US-Repräsentantenhaus, der jedoch keine Stimme im Kongress hat.

Der US-Staatsanwaltschaft zufolge hat sich Assange in einem Anklagepunkt schuldig bekannt, geheime US-Verteidigungsdokumente beschafft und weitergegeben zu haben. Er wird zu einer Haftstrafe von gut fünf Jahren verurteilt, die er bereits verbüßt hat. Wenn der Richter sein Geständnis annimmt, wird Assange nach der Anhörung voraussichtlich nach Australien zurückkehren, wie US-Staatsanwälte erklärten.

Erste Festnahme im Jahr 2010

Die USA werfen dem Australier unter anderem Geheimnisverrat vor, weil seine Enthüllungsplattform vertrauliche Informationen über das Vorgehen der US-Streitkräfte im Irak und in Afghanistan veröffentlichte. Zahlreiche Unterstützer sehen Assange dagegen als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufdeckte.

Assange wurde 2010 in Großbritannien zum ersten Mal aufgrund eines schwedischen Haftbefehls wegen des Vorwurfs eines Sexualverbrechens festgenommen. Der Haftbefehl wurde später fallen gelassen. Seither stand Assange zeitweise unter Hausarrest, hielt sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London auf und wurde seit 2019 im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten.

Quelle: ntv.de, chl/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen