Mehr Geld, weniger Druck Kabinett beschließt neues Bürgergeld
14.09.2022, 12:23 Uhr
Die Sozialreform kann starten: Das Bundeskabinett macht den Weg frei für die Einführung des Bürgergelds in Deutschland. Neben höheren Regelsätzen sollen Arbeitslose und Bedürftige künftig auch gerechter behandelt werden. Drohend wirkende Ansprachen sollen weichen, Weiterbildung gestärkt werden.
Das Bundeskabinett hat den Regelsatz für das künftige Bürgergeld auf 502 Euro festgelegt. Das Kabinett stimmte dem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums zu. Die bisherigen Hartz-IV-Sätze werden danach ab dem 1. Januar 2023 - mit neuem Namen - um mehr als 50 Euro erhöht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagte: "Mit dem Bürgergeld stärken wir den Sozialstaat und bringen Menschen dauerhaft aus der Arbeitslosigkeit." Bundeskanzler Olaf Scholz twitterte: "Zum 1. Januar lassen wir Hartz IV hinter uns." FDP-Chef Christian Lindner unterstrich: "Das Bürgergeld bringt Menschen Vertrauen entgegen und bietet einen größeren Anreiz als bisher, auch selbst eine Arbeit aufzunehmen."
Erstmals wird bei der Berechnung ein neues Verfahren angewandt, das für die Hartz-IV-Regelsätze auch die erwartete und nicht nur die zurückliegende Inflation berechnet. Diese Änderung hatte zuvor der Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP beschlossen.
Im Gesetzentwurf sind Erhöhungen für weitere Gruppen vorgesehen: Für volljährige Partner soll es danach künftig einen Regelsatz von 451 Euro geben. Für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren sind 420 Euro vorgesehen. Für 6- bis 13-Jährige sind es 348 Euro, für bis zu 5-Jährige 318 Euro. Wohn- und Heizkosten werden übernommen. Die Reformen sollen 2023 rund 4,8 Milliarden Euro kosten, die zum allergrößten Teil aus dem Bundeshaushalt kommen.
Ersparnisse zwei Jahre sicher
Zudem sollen Arbeitssuchende in den Jobcentern künftig weniger Druck ausgesetzt sein. Abgeschafft werden soll das Prinzip, nach dem die Vermittlung in einen Job Vorrang hat. Stattdessen soll Weiterbildung gestärkt werden. Die Kosten für die Wohnung sollen in den ersten beiden Jahren künftig auf jeden Fall voll übernommen werden. Auch Ersparnisse bis zu 60.000 Euro soll man in dieser Zeit behalten dürfen. Im ersten halben Jahr sollen zudem keine Sanktionen verhängt werden können, wenn etwa ein Jobangebot abgelehnt wird.
Die Arbeitgeber und die oppositionelle Union hatten die Reform scharf kritisiert. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sprach von einem falschen Signal an Bezieher kleiner Einkommen. Umstritten ist auch, dass die Sanktionen bei Verletzung der mit dem Bezug der Sozialleistungen verbundenen Auflagen abgemildert werden.
Rechtsfolgen auch im neuen System
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wies den Vorwurf zurück, das Bürgergeld würde weitgehend ohne eigenes Engagement der Bezieher gezahlt. "Das Thema Mitwirkungspflichten, das bleibt. Aber das konzentrieren wir auf das, wo es notwendig ist", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. "Und ich sage es mal deutlich: Menschen, die chronisch keine Termine wahrnehmen, die haben auch mit Rechtsfolgen im neuen System zu rechnen. Aber der Geist des neuen Systems ist nicht der von Misstrauen, sondern von Ermutigung, von Befähigung."
Heil verwies zudem auf den am 1. Oktober steigenden Mindestlohn. Zudem könnten auch Geringverdiener Wohngeld beziehen, sagte er. In dem Bürgergeld soll zudem eine weitere Qualifizierung belohnt werden. Im August 2022 erhielten rund 5,4 Millionen Menschen in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Quelle: ntv.de, ara/rts/dpa