Politik

Bekannter Name, kaum Verbündete Kann Massoud den Taliban die Stirn bieten?

Ahmad Massoud bei einem Treffen mit Unterstützern im Pandschir-Tal (Archivbild).

Ahmad Massoud bei einem Treffen mit Unterstützern im Pandschir-Tal (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Im afghanischen Pandschir-Tal versucht der Sohn eines legendären Taliban-Gegners den Widerstand gegen die Islamisten zu organisieren. Doch Beobachter hegen Zweifel, ob Ahmad Massoud wirklich die Fußstapfen seines berühmten Vaters füllen kann.

Ahmad Massoud scheint sehr beschäftigt zu sein. Der 32-jährige Afghane sei leider gerade unabkömmlich, er besuche mehrere Kontrollpunkte im Pandschir-Tal, erklärt sein Sekretär Asis Achmad am Telefon. Auch sein Assistent Fahim Daschti meint, es sei doch verständlich, dass der Mann, der sich an die Spitze der Nationalen Widerstandsfront gegen die Taliban stellen will, gerade "viele Dinge" um die Ohren habe. Eines aber, sagt Daschti weiter, wisse er sicher: "Massoud ist gut gelaunt."

Das ist eigentlich bemerkenswert angesichts dessen, dass die Taliban die kleine Provinz Pandschir im Nordosten Kabuls umzingelt haben. Sie ist die letzte Bastion im Land, die die Taliban bisher nicht eingenommen haben. Seit der Machtübernahme der Islamisten vor rund einer Woche laufen Gespräche zwischen den Taliban und Vertretern der Provinz, die bereits in den 1990er-Jahren erbitterten Widerstand gegen die Islamisten geleistet hatte und von ihnen nicht eingenommen werden konnte.

Die Islamisten gaben zuletzt an, weitere Kräfte hätten rund um Pandschir Stellungen bezogen. Viele blicken nun gespannt auf Pandschir mit seinen steilen Bergen und engen Tälern. So gespannt, dass es in den vergangenen Tagen immer wieder vorschnelle Meldungen gab, es werde bereits gekämpft. Mitnichten, sagt Massouds Assistent Daschti. "Weder haben die Taliban uns angegriffen, noch haben wir die Taliban angegriffen."

Die Vorbereitungen für eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung allerdings laufen. In sozialen Medien tauchten kürzlich Videos auf, die Fahrzeugkonvois mit Bewaffneten im Tal zeigen. Ahmad Massoud will dort den Widerstand anführen. Er ist der Sohn von Ahmad Schah Massoud, besser bekannt als der "Löwe von Pandschir", und will nun, da die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen haben, offenbar in die Fußstapfen seines Vaters treten. Dieser hatte in den 1990er-Jahren erbitterten Widerstand gegen die Taliban geleistet, bis er bei einem Selbstmordattentat zwei Tage vor dem 11. September 2001 getötet wurde.

"Das sind eher Versuche eines Widerstandes"

"Unsere Priorität sind Frieden und Verhandlungen", sagt Daschti. Wenn aber die Taliban auf militärische Mittel und Gewalt setzten, "dann beginnt eine weitere Periode des Krieges in Afghanistan". Wie stark der bisherige Widerstand sei, will Daschti nicht sagen. Nur so viel: Viele Menschen aus anderen Provinzen des Landes seien bereits in der Provinz - Zivilisten wie auch Militärs. In der Tat gab es an dem chaotischen Tag des Falls von Kabul Mitte des Monats Berichte, zahlreiche Sicherheitskräfte seien mit ihrer Ausrüstung in das Tal gefahren, darunter angeblich eineinhalb Bataillone der Spezialkräfte. Bereits in den Wochen davor schafften Pandschiris unzählige Waffen, Munition und andere Kriegsausrüstung dorthin. Auch mit Essensvorräten sollen sie sich eingedeckt haben.

Massouds Assistent Daschti sagt, die Kräfte in Pandschir seien nicht nur bereit, die Provinz und weitere Gebiete im Land, sondern darüber hinaus alle Werte Afghanistans zu verteidigen. Wie weit sie damit kommen, ist unklar. Beobachter sagen, der junge Massoud habe einen prominenten Namen, aber wenige Verbündete. Zudem wisse man von keinem Land, das ihm Unterstützung zugesagt habe.

Auch sei unklar, ob es im Land nun große Bereitschaft gebe, einen Krieg wieder aufzunehmen, nachdem er endlich beendet scheint. Das gelte auch für jene, die mit dem Sieg nicht zufrieden sind. Für Thomas Ruttig von der Denkfabrik Afghanistan Analysts Network ist es insgesamt noch zu früh, überhaupt von einem Widerstand zu sprechen. "Das sind eher Versuche eines Widerstandes", sagt er. Sie scheinten verstreut und nicht einheitlich zu sein. Das habe nicht zuletzt mit der notorischen Zersplitterung der Nordallianz zu tun. "Viele Personen beanspruchen das Erbe Ahmad Schah Massouds". Es sei zu bezweifeln, dass der junge Massoud sich zu einer Einigungsfigur entwickeln werde - seine bisherigen Versuche seien nicht von großem Erfolg gekrönt.

In das Pandschir-Tal führe nur eine Straße, sagt der frühere deutsche Diplomat und Afghanistan-Kenner Gunter Mulack. "Da kann sich schon eine Widerstandsbewegung formieren. Bereits die Sowjets haben es nie geschafft, in das Pandschir-Tal einzudringen." Aber Widerstand gegen die Taliban bedeute auch Bürgerkrieg, so der Direktor des Deutschen Orient-Instituts. "Ich bin sicher, dass die Mehrheit der Afghanen das nicht will. Die nehmen die Taliban notfalls in Kauf, wenn nur Ruhe und Frieden gesichert sind und die Taliban zu ihren Versprechungen stehen, was Frauen, Arbeit, Amnestie, Schulen und so weiter betrifft."

Man dürfe zudem nicht vergessen, dass die Pandschiri-Fraktion der Nordallianz mit ihrer rabiaten Machtpolitik Mitauslöser der Konflikte im Land nach dem US-Einmarsch 2001 gewesen sei, sagt Ruttig. Die Nordallianz habe pauschale Rache an den Paschtunen vor allem in Norden dafür genommen, dass viele von ihnen die Taliban unterstützt hatten. Das habe für Zulauf für die Taliban gesorgt. Wie dieser Zulauf endete, ist mittlerweile bekannt.

Quelle: ntv.de, jpe/dpa

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