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Strategie der Russen ein Rätsel Kiew hält Vormarsch russischer Truppen stand

Auf Kiew rücken die russischen Truppen hauptsächlich von Nordwesten und Nordosten vor.

Auf Kiew rücken die russischen Truppen hauptsächlich von Nordwesten und Nordosten vor.

(Foto: picture alliance/dpa/Ukrinform)

Seit Tagen verstärken russische Truppen ihre Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt. Bislang gelingt es den Ukrainern, den feindlichen Vormarsch zu verhindern. Soldaten in Kiew berichten von zerstörten Fahrzeugen auf russischer Seite. Die Strategie der Russen ist ihnen nicht klar.

Mit ununterbrochenem Artilleriefeuer hält ein Trupp ukrainischer Soldaten nordöstlich von Kiew die Stellung. In der Nähe des Dorfs Skybyn bewachen die Männer die Autobahn, die von Nordosten über Browary in die ukrainische Hauptstadt führt. Bisher konnten sie die russischen Panzer daran hindern, nach Kiew vorzudringen.

"Heute ist die Moral der Truppe sehr gut", sagt ein Soldat mit dem Spitznamen Topas, der eine Kalaschnikow in der Hand hält und über ein Headset Funksprüche durchgibt. "Vor zwei Tagen haben wir die russischen Panzer ein paar hundert Meter zurückgedrängt", berichtet er stolz in einer Pause zwischen zwei Schusswechseln.

Ein Video des Gefechts, das von einer ukrainischen Militärdrohne aufgenommen wurde, zeigt eine Kolonne von etwa 20 russischen Fahrzeugen, darunter viele Panzer, die sich auf der Autobahn nach Süden bewegen. Dann wird der Konvoi plötzlich mit Raketen und Granaten beschossen. Zuerst wird der vorderste Panzer getroffen, dann einer weiter hinten. Der russische Konvoi macht kehrt und verlässt eilig das Dorf. "Wir haben mit Panzern und Raketenwerfern auf sie geschossen", berichtet Topas. "Sie haben sich dann in umliegenden Dörfern versteckt."

Ukraine: Fünf Verletzte, einer in Lebensgefahr

Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer ukrainischer Soldaten wurden mindestens zwei russische Fahrzeuge zerstört und ein russischer Panzerkommandant getötet. Auf ukrainischer Seite "hatten wir fünf Verletzte, von denen einer in Lebensgefahr schwebt", berichtet der Soldat Ilja Beresenko.

Seit ihrem Einmarsch am 24. Februar hat die russische Armee etliche strategisch wichtige Orte in der Ukraine erobert, vor allem an der Südküste sowie im Osten und Norden des Landes. Auf die Hauptstadt Kiew rücken die Russen hauptsächlich von Nordwesten und Nordosten vor. Doch der Vormarsch ist ins Stocken geraten. Während Russland seine Luftangriffe zuletzt verstärkte, haben sich die Bodentruppen rund um Kiew nach Einschätzung von Militärexperten in den vergangenen Tagen kaum noch bewegt.

Östlich von Kiew rückten die russischen Panzer vor einigen Tagen bis auf wenige Kilometer an die Vorstadt Browary heran. Anwohner zählten mehr als 70 Militärfahrzeuge, darunter etwa 40 Panzer, sowie etwa 300 Soldaten. Diese Kolonne, oder zumindest ein Teil davon, bewegte sich dann in Richtung Browary und Kiew weiter - und wurde am Donnerstag von den Soldaten in Skybyn gestoppt.

"Sie müssen verrückt oder falsch informiert sein"

Seitdem grübeln die Männer über die Strategie der Russen. Mit ein paar Dutzend Panzern könnten sie nicht in Kiew eindringen, sagt der 27-jährige Beresenko. "Ich weiß nicht, warum sie das tun. Sie müssen verrückt oder falsch informiert sein. Oder sie wollen uns nur verwirren." Die ukrainischen Soldaten sind der Meinung, dass sich die russische Armee selbst über- und ihren Gegner unterschätzt hat. "Sie müssen nachts bei Temperaturen von fast minus 10 Grad in Dörfern kampieren", sagt Beresenko über die russischen Soldaten. "Sie haben keine Verpflegung und müssen Häuser plündern."

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Trotz alledem sind die Russen weit genug vorgerückt, um Angst vor einer vollständigen Einkreisung Kiews zu schüren. Nur noch die Straßen nach Süden sind offen. Nach Angaben des ukrainischen Präsidialamtes befindet sich die Hautstadt im "Belagerungszustand".

Die Soldaten in Skybyn fürchten vor allem die russischen Luftangriffe, die verheerende Schäden anrichten. Aber sie "haben nicht genug Männer oder Ausrüstung, um das Land zu besetzen", ist Beresenko überzeugt. Die russischen Soldaten seien "nicht zahlreich genug" und "weit weg von zu Hause". Am Ende würden sie "erschöpft aufgeben".

Quelle: ntv.de, Emmanuel Duparcq, AFP

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