CDU-Politiker fordert Rücktritt Kritik an Faeser für Gastbeitrag in Antifa-Medium
05.02.2022, 20:57 Uhr
Nancy Faeser hat sich bislang nicht selbst zur Debatte um ihre Person geäußert.
(Foto: dpa)
In einem Gastbeitrag berichtet SPD-Politikerin Faeser im Juli 2021 von eigenen Erfahrungen mit Drohschreiben des sogenannten "NSU 2.0". Dass die heutige Bundesinnenministerin die Plattform eines Antifa-Magazins dafür nutzt, stößt Politikern der AfD und Union sauer auf. Rücktrittsforderungen werden laut.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit einem Gastbeitrag für ein Magazin mit Verbindungen zur Antifa in rechten und konservativen Kreisen für Empörung gesorgt. Der Beitrag erschien im Juli 2021 auf der Internetseite des Magazins "Antifa" der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (kurz: VVN-BdA). Laut Eigenbeschreibung handelt es sich dabei um einen "überparteilichen Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, WiderstandskämpferInnen und Antifas aller Generationen".
Der Verein wird im jährlichen Bericht des bayerischen Landesverfassungsschutzes namentlich erwähnt, diverse andere Landesbehörden beobachten ihn seit seiner Gründung im Jahr 1947, haben aber inzwischen von einer namentlichen Erwähnung abgesehen. So sieht etwa der Hamburger Verfassungsschutz Verbindungen der VVN-BdA zu linksextremistischen, aber auch bürgerlichen Akteuren und beobachtet den Verein laut eigener Aussage seit einigen Jahren nur noch "nachrangig".
Beim VVN-BdA handele es sich um "die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus", heißt es dagegen im bayerischen Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2020. Die Vereinigung arbeite "anlassbezogen" mit linksextremistischen Kräften zusammen. Es gebe unter anderem eine langjährige Kooperation mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).
Die SPD-Politikerin Faeser hatte in dem Beitrag über ihre eigenen Erfahrungen mit Drohschreiben des "NSU 2.0" berichtet. Zur damaligen Zeit war Faeser Abgeordnete im hessischen Landtag und Vorsitzende der Landes-SPD. Sie werde vor den Drohungen gegen ihre Person nicht zurückweichen, schreibt sie. "Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD."
Union und AfD schäumen
Das rechte Magazin "Junge Freiheit" hatte Faesers Beitrag vor wenigen Tagen öffentlich kritisiert. Daraufhin äußerten AfD- und auch Unionspolitiker Kritik. Auch die "Bild"-Zeitung griff das Thema auf. Das Blatt zitierte unter anderem den CDU-Innenexperten Christoph de Vries mit den Worten: "Wie sollen sich die Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter fühlen, deren Auftrag die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, wenn ihre oberste Dienstherrin mit Verfassungsfeinden auf Tuchfühlung geht?" Und weiter: "Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind."
Ähnlich äußerte sich auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß heute im Gespräch mit ntv: "Wer sich nicht klar gegen Linksextremismus abgrenzt, darf nicht Innen- und Verfassungsministerin der Bundesrepublik Deutschland sein." Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch auf "vollumfängliche Klärung der Vorwürfe." Bundeskanzler Olaf Scholz dürfe bei einer für die Demokratie so wichtigen Frage nicht einfach "abtauchen".
Ploß bezeichnete Faeser als "Belastung für die Bundesregierung". "Wenn seine Innenministerin den Skandal weiterhin aussitzen will, muss der Bundeskanzler handeln und Frau Faeser entlassen." Dass führende Sozialdemokraten mit linksextremen Gruppierungen liebäugelten, zeige, dass die SPD ihren moralischen Kompass verloren habe. Eine Stellungnahme von Faeser und dem Bundesinnenministerium zu dem Sachverhalt steht noch aus.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer twitterte: "Eine Bundesinnenministerin, die noch vor einem halben Jahr einen Gastbeitrag für ein Linksextremisten-Blatt geschrieben hat, hat sich für ihr Amt völlig disqualifiziert." Faeser sollte "als Ministerin Verfassungsfeinde bekämpfen, anstatt sie zu unterstützen". Dass sich CSU-Politiker Stephan Mayer wiederum in dem rechten Blatt "Junge Freiheit" zur Causa Faeser äußerte, sorgte in sozialen Netzwerken wie Twitter für Kritik.
FDP-Politiker teilt gegen Union aus
Von ihren Ampel-Kollegen bekam Faeser Rückendeckung. FDP-Politiker Konstantin Kuhle deutete auf Twitter an, dass CDU/CSU schweigen würden, "wenn der Inlandsnachrichtendienst von einem gefährlichen Verschwörungsideologen" geführt werde. Damit bezog er sich offenbar auf den umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Dagegen empöre sich die Union, "wenn die Bundesinnenministerin sich für ihr Amt interessiert, einen klaren Wertekompass hat und jede Form des politischen Extremismus ablehnt", so Kuhle.
Der SPD-Landespolitiker Rüdiger Erben erklärte auf Twitter, dass die VVN-BdA in Sachsen-Anhalt im Beirat der Gedenkstättenstiftung vertreten sei. Das hätten die Fraktionen der CDU und FDP im Landtag so beschlossen - "und es ist richtig so". Als Reaktion auf die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung erklärte der Linken-Politiker Lorenz Gösta Beutin auf Twitter seine Solidarität mit Faeser. Er sprach von einer "Schmutzkampagne". Antifaschismus sei demokratische Pflicht und er sei stolz, selbst Mitglied der VVN-BdA zu sein.
Linken-Parteichefin Janine Wissler nannte die Kritik an Faeser "absurd und gefährlich". Die Vereinigung sei eine "wichtige Stimme gegen das Vergessen, für Erinnerungsarbeit, gegen alte und neue Nazis", in der sich Verfolgte des Nazi-Terrors engagierten. "Es wäre gut, wenn die Einstufung der VVN als 'linksextremistisch' durch den sogenannten Verfassungsschutz jetzt endlich korrigiert würde", twitterte sie.
VVN-BdA verteidigt sich und Faeser
Trotz einiger juristischer Querelen ist die VVN-BdA nach wie vor als gemeinnütziger Verein aufgeführt. Die "taz" zitierte die Vorsitzende Cornelia Kerth im April 2021 mit den Worten, dass es von keiner verantwortlichen Persönlichkeit im Verband eine Äußerung gebe, "dass die Demokratie und nicht-marxistische Systeme potenziell faschistisch seien und es sie zu bekämpfen gelte".
Vielmehr sehe die Vereinigung den Einsatz für die Demokratie als "eine aus dem antifaschistischen Kampf stammende grundlegende Verpflichtung". Über den bayerischen Verfassungsschutz sagte Kerth, dass die Behörde Stigmatisierung betreibe und keine Tatsachen aufführe, sondern seine Einstufung auf Wertungen stütze.
Zu der aktuellen Aufregung um den Gastbeitrag von Innenministerin Faeser teile die VVN-BdA in einem Statement mit: "Die aktuelle Kampagne gegen Nancy Faeser vonseiten rechter Medien verurteilen wir und schätzen es nur als weiteren Versuch ein, diejenigen einzuschüchtern, die sich gegen rechte Bedrohungen, Faschismus und Rassismus aussprechen."
Quelle: ntv.de, fzö