Wahlkampf in Italien LNG-Terminal in Toskana wird zum Spaltpilz
26.08.2022, 18:28 Uhr
Angst um den Tourismus: Das toskanische Piombino liegt auf der Höhe der Insel Elba.
(Foto: picture alliance / ANSA)
Die Gefahr eines akuten Gasnotstands in Italien ist nicht gebannt. Im toskanischen Piombino wird ein LNG-Terminal zum Zankapfel. Der rechtsextreme Bürgermeister will sein Städtchen verschont sehen. Seine Partei gehört zu den Favoriten bei der Parlamentswahl im September.
In Italiens Wahlkampf entwickelt sich ein geplantes Flüssiggas-Terminal in der Toskana zum größeren Streitthema. Der Gasnetzbetreiber Snam plant, das Schiff "Golar Tundra" im Hafen der Stadt Piombino zu platzieren und darüber ab dem Frühjahr 2023 angeliefertes Flüssigerdgas (LNG) umzuwandeln und in die Netze zu speisen. "Die Wahl Piombinos ist absolut falsch", sagte Bürgermeister Francesco Ferrari im Interview der Zeitung "La Repubblica". Er gehört zur rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia (FdI), die Umfragen derzeit bei der Parlamentswahl am 25. September in Führung sehen.
Seine Partei sei grundsätzlich für LNG-Terminals, betonte Ferrari. Er müsse aber seine Gemeinde schützen. Am Vortag sorgte Ferraris Parteifreund Ignazio La Russa in einem Interview zusätzlich für Verwirrung, als er sagte, die Fratelli seien für die Gasverflüssigungsanlage in Piombino und man könne sich nicht immer mit "Ja, aber nicht vor meiner Haustür" rausreden.
Andere Parteien schalteten sich in die Debatte ein. Ex-Regierungschef Matteo Renzi von der kleinen Zentrumspartei Italia Viva kritisierte, dass der Fratelli-Bürgermeister in Piombino trotz Energiekrise immer noch gegen den Gasverflüssiger sei. Italien braucht das LNG-Terminal, das laut Snam 6,5 Prozent des landesweiten Gas-Bedarfs abdecken kann. Vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine war das Mittelmeerland von Gas aus Moskau abhängig und suchte sich neue Lieferanten in Afrika und auf der arabischen Halbinsel. Ein Teil des Gases kommt deshalb flüssig per Schiff statt durch die Pipeline, weshalb die "Golar Tundra" nötig ist.
Rom meldet: Abhängigkeit von Russland zurückgefahren
Am Samstagabend ist in Piombino eine Demonstration geplant. Die Gegner in der von der Stahlindustrie geprägten Kleinstadt sehen in der Anlage ein unkalkulierbares Risiko für ihre Sicherheit, Wirtschaft und den Tourismus.
Erst am Donnerstag hatte es geheißen, Italien wolle zunächst auf Gas-Rationierungen verzichten. Das Land habe seine Abhängigkeit von russischem Gas ausreichend reduziert, hieß es aus Regierungskreisen. Dank Bemühungen, alternative Lieferanten zu finden, sei der Anteil des importierten russischen Gases in diesem Sommer auf etwa 18 Prozent reduziert worden. 2021 lag die Quote noch bei 40 Prozent. Trotzdem müsse der italienische Gas-Notfallplan nächste Woche aktualisiert werden. "Der neue Plan enthält verschiedene Szenarien, sogar das schlimmste, und sieht härtere Maßnahmen für den Fall einer weiteren Reduzierung der Gaslieferungen vor", hieß es in Rom.
Quelle: ntv.de, mau/dpa