Politik

Nach Kritik von de Maizière Länder bestreiten Abschiebe-Stau

Weit mehr Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig als durch eine zwangsweise Abschiebung. Die scheitert an vielen Hürden.

Weit mehr Asylbewerber verlassen Deutschland freiwillig als durch eine zwangsweise Abschiebung. Die scheitert an vielen Hürden.

(Foto: dpa)

Die Bundesländer müssten mehr und schneller abschieben, fordert Innenminister de Maizière. Das lassen die zuständigen Landesregierungen nicht auf sich sitzen. Politischer Wille sei da, heißt es. Aber der Bund müsse mehr tun.

Die Kritik des Bundesinnenministers hat es in sich: Es fehle den Landesregierungen am politischen Willen, Abschiebungen durchzusetzen, heißt es unter anderem in einem internen Bericht von Thomas de Maizière, aus dem die "Bild"-Zeitung zitierte. Das diesjährige Ziel von 27.000 Abschiebungen und 61.000 freiwilligen Ausreisen werde verfehlt, wenn nicht alles etwas schneller ginge, heißt es darin.

Abschieben aber ist ausschließlich Aufgabe der Landesregierungen. Aus Sicht vieler Bundesländer ist all das eine Zumutung, denn die Herausforderungen und Probleme, die sich aus der Flüchtlingskrise ergeben haben, beruhen auf Entscheidungen der Bundesregierung. Wenig überraschend ist es also, dass aus den Landesregierungen wenig Verständnis für die Einschätzung des Bundesministers kommt.

NRW: Politischer Wille ist da

Der Vorwurf des Verschleppens richtet sich vor allem gegen rot-grüne Landesregierungen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger trat deshalb sogar in Düsseldorf vor die Presse und wies die Kritik zurück. Die Länder hätten eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Zudem unterstütze die rot-grüne Landesregierung die Kommunen, wo es nur gehe.

Aus dem Ministerium für Inneres und Kommunales in NRW heißt es, das Land habe 2015 insgesamt 4395 Ausländer abgeschoben. In diesem Jahr habe es bereits deutlich mehr Abschiebungen gegeben als im Vorjahreszeitraum: Von Januar bis April 2016 waren es demnach 1727, im Vorjahr nur 955. "Die steigenden Zahlen an NRW-Abschiebungen belegen deutlich den politischen Willen", teilte das Ministerium n-tv.de mit. "Es ist jedoch wichtig, dass bei der Durchsetzung der Ausreisepflichten nicht nur konsequent, sondern auch mit Menschlichkeit vorgegangen wird", so Ministeriumssprecherin Dana Zimmermann.

Nur ein kleiner Teil muss wirklich ausreisen

Bayern fühlt sich von de Maizière gar nicht erst angesprochen. Aus den Reihen der regierenden CSU kommt immerhin die heftigste Kritik an der Bundesregierung in Sachen Flüchtlingspolitik. Von den bundesweit insgesamt 22.369 Abschiebungen im vergangenen Jahr verbucht Bayern "mehr als 4000" für sich. In diesem Jahr habe man bisher 1500 Ausreisepflichtige abgeschoben, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium. Dessen Sprecher Stefan Frei sagte n-tv.de, Ziel sei es, wöchentlich Abschiebungen durchzuführen und diese "in allen vollziehbaren Fällen" auch zu vollziehen.

Unter den Ausreisepflichtigen ist indes nur eine Minderheit auch "vollziehbar ausreisepflichtig". Laut Bundesinnenministerium standen zum Stichtag 31. März 168.000 Geduldete rund 51.000 Ausreisepflichtigen ohne Duldung gegenüber. In Baden-Württemberg etwa waren nach Auskunft des Landesinnenministeriums zum 30. April dieses Jahres 38.065 Ausländer geduldet. Sprecher Carsten Dehner sagte n-tv.de, die Abschiebung scheitere ansonsten "in der überwiegenden Zahl" an fehlenden Pässen. Verantwortlich dafür seien zum einen die Betroffenen, zum anderen viele Herkunftsstaaten, die keine Papiere ausstellen – selbst wenn die Betroffenen diese selbst beantragen.

Baden-Württemberg schob im vergangenen Jahr 2449 Ausländer ab, bis zum 31. Mai 2016 seien es bislang 1359 gewesen, wie das Ministerium weiter mitteilte. Laut Sprecher Dehner verzögern Verfahren in der Härtefallkommission geplante Abschiebungen "erheblich". Häufig versuchten Betroffene gleichzeitig oder nacheinander mehrere Gründe geltend zu machen, um der Abschiebung zu entgehen, sehr häufig gehörten dazu Krankheiten und psychische Erkrankungen. In 781 Fällen kamen die Ausreisepflichtigen ihrer Abschiebung zuvor, indem sie einfach untertauchten. "Am politischen Willen zur konsequenten Durchsetzung des Aufenthaltsrechts fehlt es dieser Landesregierung keinesfalls", sagte der Sprecher des mittlerweile CDU-geführten Innenministeriums.

Linke-Regierung setzt auf freiwillige Ausreise

Die Thüringer Landesregierung, geführt von der Linkspartei, steckt beim Thema Abschiebungen unterdessen im Zwiespalt. Beim Parteitag der Linken versuchten thüringische Parteimitglieder vor ihren Genossen zu rechtfertigen, dass das Land überhaupt abschiebt. Man müsse eben die Gesetze erfüllen, so der Tenor. Die Partei selbst ist eigentlich strikt gegen Abschiebungen, die sie unmenschlich nennt. Auf Anfrage teilte das thüringische Ministerium für Migration mit, im Jahr 2015 seien 461 Menschen abgeschoben worden, in diesem Jahr bisher 283. Von den 3688 Ausreisepflichtigen im Land sind 2811 geduldet.

Zu der Frage, ob es "am politischen Willen zur Durchsetzung des Aufenthaltsrechts" fehle, wie de Maizière bemängelt hatte, äußerte sich das Ministerium nicht. Thüringen befolge alle geltenden Gesetze, setze aber vor allem auf freiwillige Ausreise, hieß es. In diesem Jahr hätten sich bereits 1079 Menschen dazu entschieden. Der zuständige Minister Lauinger sagte: "Die Zahlen zeigen ganz klar, dass die freiwilligen Ausreisen das erfolgreichere Instrument sind. Ganz abgesehen davon, dass es die humanere Alternative ist." Defizite sieht die Landesregierung Thüringen nicht.

Länder: Bund soll mehr tun

Unisono geben die von n-tv.de angesprochenen Landesinnenministerien die Kritik an den Bund zurück. So scheiterten geplante Abschiebungen an fehlenden Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten und an fehlenden europäischen Standards in Asylverfahren. Auch könne der Bund mehr tun, um sogenannten Laissez-Passer-Papieren in der EU zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.

Am Mittag hörte sich der Bundesinnenminister de Maizière schon wieder weniger scharf an. Er sei mit dem Anstieg der Rückführungen und Abschiebungen trotz der 168.000 Geduldeten in Deutschland zufrieden. Er habe keinen Zweifel am Willen der Länder, hier weiter voranzukommen. Viele Abschiebehindernisse seien bereits beseitigt worden. "Wenn wir diese Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern und Kommunen vorantreiben, dann werde die Zahlen auch besser als sie sich jetzt abzeichnen", sagte der CDU-Politiker.

Quelle: ntv.de

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