Ärger über Selenskyj Liefert Polen keine Waffen mehr an die Ukraine?
21.09.2023, 01:30 Uhr Artikel anhörenDer Streit zwischen Polen und der Ukraine um Getreidelieferungen könnte eskalieren. Nach spitzen Bemerkungen Selenskyjs vor der UN-Vollversammlung bestellt Polen erst den Botschafter ein. Am Abend kündigt Premier Morawiecki einen Stopp sämtlicher Waffenlieferungen an Kiew an.
Polen liefert nach eigenen Angaben keine Waffen mehr an die Ukraine, sondern konzentriert sich auf die Bewaffnung des eigenen Landes. "Wir transferieren keine Waffen mehr an die Ukraine, weil wir uns selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten", sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Abend im Sender Polsat News. Die polnische Armee solle in kurzer Zeit eine der stärksten Landarmeen Europas werden, fügte er hinzu.
Dabei waren die Äußerungen des polnischen Regierungschefs allerdings nicht ganz eindeutig. Der Kontext des Interviews deutete darauf hin, dass Morawiecki eher keinen vollständigen Stopp der polnischen Waffenlieferungen an Kiew gemeint haben dürfte - vielmehr schien er darauf abzuheben, dass Polen nicht nur Waffen an das Nachbarland liefere, sondern parallel dazu auch die eigene Armee aufrüste.
Mehrere polnische Nachrichtenportale, darunter der englischsprachige Dienst der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, interpretierten Morawieckis Äußerung allerdings so, dass Polen vor dem Hintergrund des Konflikts um das Getreide seine Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen werde. Eine Bitte der Deutschen Presse-Agentur um Klarstellung ließ die polnische Regierung bislang unbeantwortet.
Botschafter einbestellt
Warschau war seit Kriegsbeginn einer der größten Unterstützer und Waffenlieferanten der Ukraine. Doch jüngst ist zwischen beiden Ländern ein Streit um Getreidelieferungen aufgeflammt. Ob die Entscheidung in Zusammenhang mit dem Streit steht, sagte Morawiecki nicht. Die Erklärung erfolgte wenige Stunden, nachdem Warschau in dem Konflikt den ukrainischen Botschafter einbestellt hatte, um gegen Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor den Vereinten Nationen zu protestieren.
Der Streit hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die klassische Exportroute für ukrainisches Getreide über das Schwarze Meer blockiert. Für den Transport über den Landweg verhängte die EU Handelsbeschränkungen gegen die Ukraine, um die örtlichen Landwirte zu schützen.
"Emotionen bitte außen vor lassen"
Am Freitag hatte die EU-Kommission die umstrittenen Handelseinschränkungen für beendet erklärt. Polen, Ungarn und die Slowakei kündigten aber umgehend an, sich nicht daran zu halten. Polen drohte zudem mit Importbeschränkungen auf weitere Produkte. Selenskyj sagte daraufhin am Dienstag bei der UNO, einige Länder täuschten Solidarität nur vor und unterstützten indirekt Russland.
Die Einbestellung des ukrainischen Botschafters kommentierte Kiew mit den Worten, die "polnischen Freunde" mögen ihre "Emotionen außen vor lassen". Die ukrainische Seite habe Polen einen konstruktiven Weg vorgeschlagen, um den Getreidestreit zu lösen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums.
In Polen ist das Thema vor dem Hintergrund der Wahlen im kommenden Monat sehr sensibel. Landwirte sind eine wichtige Wählergruppe der rechtsnationalen PiS-Regierung. "Die ukrainischen Behörden verstehen das Ausmaß der Destabilisierung der polnischen Agrarindustrie nicht", sagte Morawiecki am Mittwoch zu dem Streit. "Wir schützen polnische Landwirte."
Quelle: ntv.de, mau/AFP/dpa