Rücktritte wegen Frauenstatut Listenstreit der Saar-Grünen eskaliert
25.06.2021, 16:57 Uhr
Bei den saarländischen Grünen wird es einsam um Hubert Ulrich.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am vergangenen Wochenende treffen sich die Grünen im Saarland zu einem turbulenten Landesparteitag. Im Nachgang stellt sich die Partei gegen den gerade von ihr gewählten Spitzenkandidaten. Nun hagelt es Rücktritte, das grüne Chaos ist perfekt.
Der saarländische Grünen-Vorsitzende Ralph Rouget ist im Streit um die Aufstellung der Kandidatenliste für die Bundestagswahl von seinem Amt zurückgetreten. Rouget habe seinen Posten nur fünf Tage nach seiner Wahl zum Vorsitzenden niedergelegt, berichtet der Saarländische Rundfunk (SR). Demnach traten neben Rouget noch weitere Verantwortliche aus dem Landesvorstand zurück, darunter Beisitzerin Ute Kirchhoff. Die stellvertretende Landesvorsitzende Irina Gaydukova verließ die Partei nach einem viel kritisierten Auftritt demnach sogar ganz. Sie hatte auf der Liste auf Platz zwei kandidiert.
Hintergrund ist ein turbulenter Landesparteitag am vergangenen Wochenende. Am Sonntag hatte sich der frühere Chef der saarländischen Grünen, Hubert Ulrich, den ersten Listenplatz der Partei für die Bundestagswahl gesichert. Aber erst, nachdem die inzwischen abgelöste Landesvorsitzende Tina Schöpfer mehrfach durchgefallen war.
Die Wahl von Ulrich sorgte innerhalb der Grünen für breite Kritik. Bei der Partei sind die ungeraden Listenplätze Frauen vorbehalten. Dass Ulrich dennoch gegen die Vorsitzende der Grünen Jugend im Saarland, Jeanne Dillschneider, angetreten ist und Listenplatz eins übernommen hat, steht im Widerspruch zu dieser Regelung, die als Frauenstatut bekannt ist. Beisitzerin Kirchhoff soll diesen Umstand laut SR als einen Grund für ihren Rücktritt angegeben haben.
Seit langem umstritten
Ein Bündnis innerhalb der saarländischen Grünen droht weiterhin damit, "alle innerparteilichen Möglichkeiten" auszuschöpfen, um die Abstimmung anzufechten. So will der Ortsverband Rehlingen-Siersburg Ulrich im Wahlkampf für die Bundestagswahl nicht unterstützen. "Was hier veranstaltet wurde, hat maximal destruktives Potenzial. Einen größeren Keil hätte man nicht in die saarländischen Grünen treiben können", erklärte der Ortsverbands-Vorsitzende Alexander Raphael am Donnerstag. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kritisierte die Aufstellung. "Wir haben uns das anders gewünscht", sagte sie vergangenen Montag in Berlin.
Ulrich dagegen hält die Rücktrittsforderungen für unangebracht. Er sei in einer geheimen, demokratischen Abstimmung mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt worden und sehe keinen Grund für einen Rückzug, sagte er im SR. Einen Appell des Bundesvorstandes an den Landesvorstand, die Landesliste rückgängig zu machen, bezeichnete er als unfassbaren Vorgang und massiven Eingriff in die Autonomie des Landesverbandes.
Ulrich ist bei den Grünen wegen mehrerer Kontroversen seit langem umstritten. Unter anderem hatte sich der Landesverband unter seiner Führung im Jahr 2009 für eine Jamaika-Koalition an der Saar ausgesprochen, obwohl rechnerisch damals auch Rot-Rot-Grün möglich gewesen wäre.
Quelle: ntv.de, chr/AFP