Seltsame Begegnung vor dem Mord Lübcke-Sohn: "Wir fühlten uns angestarrt"
08.12.2020, 17:10 Uhr
Christoph Lübcke im Gerichtssaal.
(Foto: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool)
Der Sohn des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke schildert vor Gericht eine seltsame Begegnung, die sich mehrere Monate vor der Tat ereignete. Demnach sollen zwei unbekannte Männer Christoph Lübcke und seinen Vater bei einem Treffen beobachtet haben. War einer von beiden der spätere Mörder?
Im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der älteste Sohn des CDU-Politikers ausgesagt. Dabei ging es nicht nur um den Tod seines Vaters, sondern insbesondere um eine Zufallsbegegnung im Jahr 2018. Er habe mit seinem Vater vor seinem Haus gestanden und sich über seine geplante Masterarbeit unterhalten, sagte Christoph Lübcke vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Dabei habe er zwei Männer gesehen, die ihn und seinen Vater in den Blick genommen hätten. Sein Vater habe anschließend gefragt, was das denn gewesen sei. "Wir fühlten uns angestarrt."
Eine Woche zuvor hatte der wegen des Mordes an Lübcke angeklagte Stephan Ernst geschildert, dass er Lübcke bei einem gemeinsamen Besuch mit dem wegen Beihilfe angeklagten Markus H. an Lübckes Wohnort mit einem "Nachbarn" vor einem Haus habe stehen sehen. Nach der Beschreibung des Gebäudes kam die Frage auf, ob es sich um das Wohnhaus des älteren Lübcke-Sohns handeln könnte.
An Ernst selbst konnte sich Carsten Lübcke nicht bei der Beschreibung der Zufallsbegegnung erinnern. Ihm sei vor allem eine kleinere Person aufgefallen, die ihn mit ihrem Grinsen und Bartansatz an eine Guy-Fawkes-Maske erinnert habe, sagte er. Allerdings habe dieser Mann vollere Gesichtszüge gehabt. Die Beschreibung könnte durchaus an den im Gerichtssaal häufig grinsenden Markus H. erinnern. H. selber hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert. Ernst hatte angegeben, sowohl alleine als auch mit H. mehrfach in Lübckes Wohnort Wolfhagen-Istha gefahren zu sein. Auch in der Tatnacht im Juni 2019 sei H. mit ihm zusammen gewesen.
"Unendlich großer Verlust für uns alle"
Christoph Lübcke beschrieb, dass er wie sein Bruder zunächst von einem Herzinfarkt oder einem anderen gesundheitlichen Notfall ausgegangen sei, als sein Vater leblos auf der Terrasse gefunden worden sei. Im Krankenhaus habe er sich im Gespräch mit dem Bruder auch über das Blut hinter dem Stuhl seines Vaters ausgetauscht. "Da hatten wir noch die Hoffnung, dass er wieder lebendig wird."
Der Tod des Vaters sei ein "unendlich großer Verlust für uns alle", sagte Christoph Lübcke. Dies gelte auch für Lübckes Enkel. "Das merkt man gerade jetzt zur Weihnachtszeit." Er habe seinem kleinen Sohn erklärt, dass ein böser Mann dem Opa wehgetan habe und er jetzt im Himmel sei. "Das zerreißt einem das Herz", sagte Lübcke. "Je älter er wird, desto öfter kommen die Fragen."
Am Vormittag hatte zunächst ein Sachverständiger für Schusswaffen ausgesagt. Dabei ging es nicht um den Mord selbst, sondern um den erfolgreichen Rückbau einer als Deko-Waffe bezeichneten Maschinenpistole, die in Besitz von Markus H. war. Die Bundesanwaltschaft wirft H. als weiteren Anklagepunkt einen Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Der Sachverständige, ein Beamter des Landeskriminalamtes (LKA), hatte die Waffe in weniger als sechs Stunden wieder zurückbauen und mit ihr vollautomatische Schüsse abgeben können.
Markus H. soll Ernst politisch beeinflusst haben. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremistischen Motiv aus. Lübcke war wegen seines Einsatzes für Flüchtlinge seit 2015 Drohungen und Hass ausgesetzt gewesen.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa