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Wagner auf dem Weg nach Rostow Machtkampf in Russland eskaliert

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In Moskau wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

In Moskau wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Im Konflikt zwischen der paramilitärischen Söldnergruppe Wagner und dem russischen Verteidigungsministerium überschlagen sich die Ereignisse. Moskau schreibt Wagner-Chef Prigoschin zur Festnahme aus. Der wiederum behauptet, seine Kämpfer wollten ins russische Rostow am Don einmarschieren.

Kämpfer der privaten russischen Söldnertruppe Wagner sind nach Angaben ihres Anführers Jewgeni Prigoschin auf russisches Territorium einmarschiert. Seine Kämpfer hätten die ukrainische Grenze nach Russland überschritten, sagte Prigoschin in der Nacht in einer Audiobotschaft. Sie stünden kurz davor, in die Stadt Rostow am Don einzurücken. Dort soll sich der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu aufhalten. Die Wagner-Söldner seien von russischen Grenztruppen mit Umarmungen empfangen worden. Sie würden noch weiter als bis Rostow marschieren, behauptete Prigoschin, der zuvor zu einem bewaffneten Aufstand gegen die russische Armeeführung aufgerufen hatte. Seine Truppen würden "alles zerstören", was sich ihnen in den Weg stelle, warnte der Söldnerführer. "Wir machen weiter, wir gehen bis zum Ende", kündigte Prigoschin an.

Kurz zuvor hatte der russische Geheimdienst FSB die Söldner der Wagner-Truppe dazu aufgerufen, ihren Chef Prigoschin festzunehmen. "Wir rufen die Kämpfer der Privatarmee dazu auf, keine nicht wiedergutzumachenden Fehler zu begehen, alle Kampfhandlungen gegen das russische Volk einzustellen, die verbrecherischen und verräterischen Befehle Prigoschins nicht zu befolgen und Maßnahmen zu seiner Festnahme zu ergreifen", heißt es in einer Erklärung des FSB. Russlands Generalstaatsanwaltschaft rechtfertigte die Einleitung des Verfahrens gegen Prigoschin wegen versuchten bewaffneten Aufstands: "Für so ein Verbrechen ist ein Freiheitsentzug zwischen 12 und 20 Jahren als Strafe vorgesehen", erklärte die Behörde.

Prigoschin wirft Armeeführung Angriffe auf Wagner vor

Der Wagner-Chef hatte zuvor der Armee vorgeworfen, seine Truppen bombardiert zu haben, und die Russen zur Auflehnung gegen die Militärführung aufgerufen. Er kündigte an, er werde das "Böse" in der Militärführung stoppen. Diejenigen, die die Leben Zehntausender russischer Soldaten zerstört hätten, würden bestraft. Das Ministerium halte 2000 Leichen unter Verschluss, um das Ausmaß der Verluste zu verschleiern, behauptete Prigoschin. "Wir sind 25.000 und wir werden herauskriegen, warum das Land ins Chaos gestürzt wurde", sagte der Söldnerchef. Der größte Teil des Militärs unterstütze ihn. "Das ist kein Militärputsch. Das ist ein Marsch für Gerechtigkeit."

Das russische Staatsfernsehen strahlte in der Nacht eine Sondernachrichtensendung aus, in der darüber informiert wurde, dass Prigoschin in Ungnade gefallen sei und festgenommen werden solle. Die Rede in der Sendung war von einer "Provokation" Prigoschins zum Nutzen der Ukraine. Die Medien in der Ukraine berichten breit über den Machtkampf in Moskau.

In Washington behält die US-Regierung die Vorgänge nach Angaben des Sender CNN im Auge: "Wir beobachten die Situation und werden uns mit Verbündeten und Partnern über diese Entwicklungen beraten", wurde der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Adam Hodge, zitiert. Präsident Joe Biden sei über die Lage unterrichtet worden.

Surowikin appelliert an Prigoschin

Unterdessen hat sich der wichtige russische Armeegeneral Sergej Surowikin auf die Seite des Machtapparats in Moskau geschlagen. Surowikin, der Vizechef des russischen Generalstabs ist, rief Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in einer Videobotschaft dazu auf, den Machtkampf zu beenden. "Der Gegner wartet nur darauf, bis sich bei uns die innenpolitische Lage zuspitzt", sagte Surowikin in einer Videobotschaft. Surowikin – auch unter dem Namen "General Armageddon" bekannt - gilt eigentlich als Verbündeter Prigoschins, entschied sich nun aber allem Anschein nach zur Loyalität dem Kreml gegenüber. "Wir dürfen nicht dem Gegner in die Hände spielen - in dieser für das Land schweren Zeit", sagte Surowikin, der daran erinnerte, dass er mit Prigoschin erfolgreich gekämpft habe in Russlands Krieg gegen die Ukraine. Wagner rief er nun dazu auf, sich dem "Willen und dem Befehl des vom ganzen Volk gewählten Präsidenten der Russischen Föderation unterzuordnen".

In Moskau und anderen Regionen wurden in den letzten Stunden die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren. "Alle wichtigen Objekte, wie Organe der Staatsmacht und Objekte der Verkehrsinfrastruktur, wurden unter verstärkte Bewachung genommen", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die Sicherheitsbehörden. Zuvor waren Videos im Netz aufgetaucht, auf denen ein Schützenpanzer und ein gepanzerter Militärlaster vor dem russischen Parlament, der Staatsduma, entlangfahren. Berichten zufolge sind auch in den von Russland teilweise annektierten Gebieten Donezk und Luhansk die Sicherheitsorgane in Alarmbereitschaft versetzt worden. Dort gibt es viele Wagner-Kämpfer.

Pöbeleien mit Putins Gnaden

Der Wagner-Chef, der eigentlich als unantastbar gilt und ein Vertrauter von Putin ist, hatte die russische Militärführung zuletzt immer wieder wegen der Niederlagen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert. Er spricht sich seit langem auch für eine neue Militärführung aus. Unabhängige Kommentatoren gehen davon aus, dass das Strafverfahren das Ende Prigoschins und seiner Wagner-Truppe in Russland bedeuten würde.

Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine hat Moskau sich zum Teil auch auf die Privatarmee Wagner gestützt. Die Söldner haben etwa eine wichtige Rolle beim Kampf um die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine gespielt. Nach der Eroberung zog Prigoschin seine Truppen von der Front ins Hinterland zurück. Schon während des Kampfes um Bachmut klagte Prigoschin über Sabotage vonseiten der regulären Truppen. Seine Einheiten würden nicht ausreichend mit Munition versorgt, lautete der Vorwurf. Zuletzt hatte Prigoschin bereits täglich die Militärführung kritisiert.

Am Freitag, wenige Stunden vor dem angeblichen Angriff auf die Wagner-Lager im Hinterland, hatte er die offiziellen Begründungen des Kremls für den Krieg in der Ukraine verworfen. Entgegen der russischen Propaganda-Behauptung sei vor Kriegsbeginn im Februar 2022 Russland überhaupt nicht durch die Ukraine gefährdet gewesen, sagte er in einem Video. Die angeblich "wahnsinnige Aggression" vonseiten Kiews und der NATO habe es so nie gegeben. Außerdem hätten sich russische und prorussische Oligarchen Vorteile von dem Krieg erhofft, sagte Prigoschin.

Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa

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