UN zweifelt an Venezuela-Wahl Maduro spricht von "versuchtem Staatsstreich"
29.07.2024, 22:06 Uhr Artikel anhören
Den Angaben der regierungsnahen Wahlbehörde zufolge hat Maduro 51,2 Prozent der Stimmen erhalten.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Nach der Wahl in Venezuela reklamiert die Opposition einen Erdrutschsieg für sich, der offizielle Gewinner und Amtsinhaber Maduro hingegen wittert einen "faschistischen" Umsturzversuch. Lateinamerikanische Nachbarn und die UN dringen auf Transparenz.
Die Proklamation von Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Venezuela hat international Zweifel und Proteste ausgelöst. Neben zahlreichen lateinamerikanischen Staaten forderte auch UN-Generalsekretär António Guterres "absolute Transparenz". Die weitgehend regierungstreuen Wahlbehörde erklärte dessen ungeachtet Maduro offiziell zum Wahlsieger. Dieser sprach angesichts von Betrugsvorwürfen der Opposition von einem "versuchten Staatsstreich".
Die Bevölkerung des Landes habe Maduro mehrheitlich "für den Zeitraum von 2025 bis 2031" als Präsidenten wiedergewählt, sagte der Chef der nationalen Wahlbehörde, Elvis Amoroso. Schon zuvor hatte die Behörde Maduro nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen mit 51,2 Prozent zum Wahlsieger erklärt. Der aussichtsreichste Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia kam den Angaben zufolge auf 44,2 Prozent.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Venezuela warf der Opposition einen Hackerangriff auf das Wahlamt vor. Die Cyberattacke sei von Nordmazedonien aus verübt worden und habe auf die Übertragung der Ergebnisse gezielt, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Es sei versucht worden, die Resultate zu manipulieren. Der Versuch sei allerdings gescheitert. Hinter dem Angriff steckten die Oppositionsführerin Maria Corina Machado und zwei weitere prominente venezolanische Regierungsgegner im Ausland, sagte Saab weiter. Der Generalstaatsanwalt kündigte an, dass der Nationale Wahlrat die Ergebnisse der einzelnen Wahlbezirke bald auf seiner Internetseite veröffentlichen werde.
Die Opposition reklamierte den Wahlsieg für sich. Machado sagte vor Journalisten, das Land habe "einen neuen designierten Präsidenten", nämlich den von ihrem Bündnis vorgeschlagenen González Urrutia. Dieser habe 70 Prozent der Stimmen erhalten und nicht 44 Prozent. Sie berief sich dabei sowohl auf Nachwahlbefragungen und vier unabhängige Hochrechnungen als auch auf die tatsächlichen Auszählungsergebnisse. "Dies ist der Wahlsieg mit dem größten Abstand in der Geschichte", sagte Machado. Das von der Wahlbehörde ausgegebene Ergebnis sei ein "weiterer Betrug".
"Wir setzen unseren Kampf fort"
Die 56-jährige Machado galt als treibende Kraft hinter der Kandidatur von González. Ihr wurde wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten aus ihrer Zeit als Abgeordnete die Ausübung öffentlicher Ämter für 15 Jahre untersagt. Der 74-jährige Diplomat González war im Land bisher weitgehend unbekannt. "Die Venezolaner und die ganze Welt wissen, was am heutigen Wahltag passiert ist", sagte er. "Wir setzen unseren Kampf fort und werden nicht ruhen, bis der Wille des venezolanischen Volkes respektiert wird."
Angesichts der Betrugsvorwürfe warf Maduro der Opposition einen "Staatsstreich" vor. "Es wird versucht, einen faschistischen und konterrevolutionären Staatsstreich in Venezuela durchzusetzen", sagte er bei der offiziellen Verkündung seiner erneuten Präsidentschaft durch die Wahlbehörde. Schon wenige Minuten nach Bekanntwerden der ersten Wahlergebnisse hatte der Amtsinhaber am Präsidentenpalast in der Hauptstadt Caracas zu seinen Anhängern gesprochen und "Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit" angekündigt.
UN fordert Transparenz
Kritik und Zweifel am Wahlergebnis wurde auch im Ausland laut: "Wir haben die Ankündigung der Wahlbehörden sowie die Bedenken, die von politischen Akteuren und Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft geäußert wurden, zur Kenntnis genommen", erklärte der Sprecher von UN-Generalsekretär Guterres, Stéphane Dujarric. Der Generalsekretär rufe zu "vollständiger Transparenz" auf, zudem müssten die Wahlergebnisse nach Wahllokalen aufgeschlüsselt veröffentlicht werden. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
In einer gemeinsamen Erklärung riefen die lateinamerikanischen Länder Argentinien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru, die Dominikanische Republik und Uruguay zu einer "vollständigen Überprüfung der Ergebnisse in Anwesenheit unabhängiger Wahlbeobachter" auf. Panama kündigte zudem an, Diplomaten aus Venezuela abzuziehen.
Nach Kritik am Wahlprozess in Venezuela kündigte die Regierung des südamerikanischen Landes an, ihr diplomatisches Personal aus sieben Ländern der Region abzuziehen. Dazu gehörten unter anderem Panama, Argentinien und Chile. Außenminister Yvan Gil forderte die betroffenen Staaten auf, ihre Diplomaten ebenfalls aus Venezuela zurückzurufen. Was mit den Mitarbeitern der Oppositionsführerin Maria Corina Machado geschehen sollte, darunter auch die Leitung ihres Wahlkampfteams, sagte er nicht. Diese hatten in der argentinischen Botschaft in Caracas Zuflucht gesucht, nachdem die venezolanischen Behörden Haftbefehle gegen sie erlassen hatten.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf seinem englischsprachigen X-Account, die "verkündeten Wahlergebnisse reichen nicht aus, um die Zweifel an der Stimmauszählung in Venezuela zu zerstreuen". Weiter forderte das Ministerium "die Veröffentlichung der detaillierten Ergebnisse für alle Wahllokale und Zugang zu allen Abstimmungs- und Wahlunterlagen für die Opposition und Beobachter". Auch die USA und Großbritannien meldeten Zweifel an.
Mexiko erkennt Ergebnis an
Dagegen erklärte der mexikanische Präsident, Andrés Manuel López Obrador, das Ergebnis in Venezuela anerkennen zu wollen. Auch Maduros Verbündete Russland, China und Kuba brachten ebenso wie Nicaragua, Bolivien und Honduras ihre Glückwünsche zum Ausdruck.
Staatschef Maduro hatte sich bei der Wahl am Sonntag um eine dritte Amtszeit von sechs Jahren beworben. Der 61-jährige bekennende Marxist ist wegen der Wirtschaftskrise im Land bei vielen Wählern unbeliebt. Sein Machtapparat in Venezuela stützt sich unter anderem auf das Militär und die Polizei. Vor dem Urnengang hatte der Staatschef mehrfach gesagt, er werde die Macht im Falle einer Wahlniederlage nicht abgeben. Unter anderem hatte er vor rund zwei Wochen für den Fall einer Niederlage mit einem "Blutbad" gedroht.
Maduros Wahl im Jahr 2018 war von den meisten westlichen Ländern nicht anerkannt worden, in der Folge wurden Sanktionen gegen Venezuela verhängt. Dem Präsidenten wird vorgeworfen, die Opposition im Land zu unterdrücken. Viele Venezolaner machen Maduro für die Wirtschaftskrise und Hyperinflation in dem ölreichen Land verantwortlich. Das Bruttoinlandsprodukt Venezuelas schrumpfte binnen zehn Jahren um 80 Prozent. Etwa jeder vierte Venezolaner ist vor der wirtschaftlichen und politischen Krise ins Ausland geflohen.
Quelle: ntv.de, mdi/AFP/dpa