Schüsse auf Demonstranten Massenproteste nach umstrittenen Wahlergebnis in Venezuela
30.07.2024, 02:35 Uhr Artikel anhören
Der venezolanische Präsident weist Kritik an der Wahl in seinem Land als Putschversuch zurück. Die Opposition spricht von einem deutlichen Sieg ihres Kandidaten. Tausende strömen auf die Straße und werden von der Polizei mit Tränengas attackiert. Eine Person stirbt.
Die Opposition in Venezuela bietet dem autoritären Staatschef Nicolás Maduro nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Stirn. Ihr Kandidat Edmundo González Urrutia habe die Abstimmung am Sonntag deutlich gewonnen, sagte Oppositionsführerin María Corina Machado. Zuvor hatte das Wahlamt des südamerikanischen Krisenstaates Maduro offiziell zum Sieger erklärt.
In der Hauptstadt Caracas kam es zu Protesten gegen Maduro. "Sie wird fallen, sie wird fallen, diese Regierung wird fallen", skandierten Demonstranten im Armenviertel Petare. Sie blockierten Straßen und steckten Barrikaden in Brand, wie im Fernsehsender NTN24 zu sehen war. Die Polizei feuerte Tränengas und Gummigeschosse auf die Demonstranten. Wie auf einem Video zu sehen war, schossen Männer in Zivil auch mit Pistolen in Richtung der Protestierenden.
Bei den Protesten ist nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation ein Mensch getötet worden. 46 weitere Menschen seien festgenommen worden, teilte der Chef der Menschenrechtsorganisation Foro Penal, Alfredo Romero, auf X mit.
Die Opposition rief zu einer Großdemonstration gegen die Regierung auf. "Wir sind entschlossen, die Wahrheit zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass jede Stimme gezählt wird", sagte Oppositionsführerin Machado. Auch das Regierungslager will seine Anhänger auf die Straße bringen. Parlamentspräsident Jorge Rodríguez forderte Maduros Anhänger dazu auf, zum Präsidentenpalast Miraflores zu marschieren.
Oppositionsführerin Maria Corina Machado erklärte, ihr Lager verfüge über 73,2 Prozent der Stimmzettel vom Sonntag, die ihren Sieg bestätigten. Man könne den Sieg daher "beweisen". Der Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia habe in allen Bundesstaaten gewonnen und 6,27 Millionen Stimmen erhalten, der von der Wahlbehörde zum Sieger ernannte Amtsinhaber Nicolás Maduro sei auf 2,7 Millionen Stimmen gekommen. "Unser Triumph ist historisch", sagte González.
Erdrutschsieg der Opposition?
Den offiziellen Angaben zufolge erhielt Maduro 51,2 Prozent der Stimmen, was seine Amtszeit bis 2031 verlängern würde. Auf González Urrutia entfielen demnach 44,2 Prozent. Unabhängige Nachwahlbefragungen deuteten auf einen Erdrutschsieg der Opposition hin. Maduro wies die Bedenken der Opposition und der Meinungsforscher als Putschversuch zurück.
Gleichzeitig berichteten ihre Mitarbeiter von einem Versuch der Sicherheitskräfte, in die argentinische Botschaft in Caracas einzudringen, in der sich sechs Oppositionelle aufhalten. "In diesem Moment versuchen Sicherheitskräfte, die Residenz der argentinischen Botschaft in Caracas zu stürmen, in der sich die sechs Asylbewerber der Kampagne von Machado und Edmundo Gonzalez befinden", schrieb einer der sechs Oppositionellen, Pedro Urruchurtu, auf dem Kurznachrichtendienst X. Die Mitarbeiter hatten im März Zuflucht in der argentinischen Botschaft in Caracas gesucht, um einer Verhaftung wegen angeblicher Verschwörung zu entgehen.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Venezuela warf der Opposition einen Hackerangriff auf das Wahlamt vor. Die Cyberattacke sei von Nordmazedonien aus verübt worden und habe auf die Übertragung der Ergebnisse gezielt, sagte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab. Es sei versucht worden, die Resultate zu manipulieren. Der Versuch sei allerdings gescheitert. Hinter dem Angriff steckten die Oppositionsführerin Maria Corina Machado und zwei weitere prominente venezolanische Regierungsgegner im Ausland, sagte Saab weiter. Der Generalstaatsanwalt kündigte an, dass der Nationale Wahlrat die Ergebnisse der einzelnen Wahlbezirke bald auf seiner Internetseite veröffentlichen werde.
Kritik aus dem Ausland
Kritik und Zweifel am Wahlergebnis wurde auch im Ausland laut: "Wir haben die Ankündigung der Wahlbehörden sowie die Bedenken, die von politischen Akteuren und Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft geäußert wurden, zur Kenntnis genommen", erklärte der Sprecher von UN-Generalsekretär Guterres, Stéphane Dujarric. Der Generalsekretär rufe zu "vollständiger Transparenz" auf, zudem müssten die Wahlergebnisse nach Wahllokalen aufgeschlüsselt veröffentlicht werden. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
In einer gemeinsamen Erklärung riefen die lateinamerikanischen Länder Argentinien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru, die Dominikanische Republik und Uruguay zu einer "vollständigen Überprüfung der Ergebnisse in Anwesenheit unabhängiger Wahlbeobachter" auf. Panama kündigte zudem an, Diplomaten aus Venezuela abzuziehen.
Nach Kritik am Wahlprozess in Venezuela kündigte die Maduro-Regierung an, ihr diplomatisches Personal aus sieben Ländern der Region abzuziehen. Dazu gehörten unter anderem Panama, Argentinien und Chile. Außenminister Yvan Gil forderte die betroffenen Staaten auf, ihre Diplomaten ebenfalls aus Venezuela zurückzurufen.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf seinem englischsprachigen X-Account, die "verkündeten Wahlergebnisse reichen nicht aus, um die Zweifel an der Stimmauszählung in Venezuela zu zerstreuen". Weiter forderte das Ministerium "die Veröffentlichung der detaillierten Ergebnisse für alle Wahllokale und Zugang zu allen Abstimmungs- und Wahlunterlagen für die Opposition und Beobachter". Auch die USA und Großbritannien meldeten Zweifel an.
Quelle: ntv.de, lme/rts/AFP/dpa