Zwischen EU und Hardlinern May steckt in der Brexit-Klemme
14.12.2017, 11:58 Uhr
Alles andere als weihnachtlich ist derzeit die Stimmung in London: Das Parlament wischt Theresa May einen aus.
(Foto: REUTERS)
Die EU erwartet Klarheit und Zugeständnisse. Die Brexit-Befürworter in der eigenen Partei erwarten Härte. Theresa May steht mittendrin - und muss nun eine "demütigende" Niederlage einstecken. Ihre Position ist damit weiter geschwächt.
Es scheint inzwischen fast eine Faustregel für Theresa Mays Brexit-Politik zu sein: Was schief gehen kann, geht auch schief. Beim EU-Gipfel sollen wichtige Weichen für den Brexit gestellt werden, die britische Premierministerin steht in den Verhandlungen einer geschlossenen Front von 27 EU-Staaten gegenüber - doch in London herrscht Polit-Chaos. Am Abend vor der Abreise erlitt May eine demütigende Niederlage im Parlament, ihre eigenen Parteifreunde ließen sie im Stich.
In Brüssel wächst die Sorge, ob die geschwächte Premierministerin überhaupt noch als Verhandlungspartnerin ernst zu nehmen sei. Wie soll eine Politikerin, die daheim in London offenbar ihre Regierung und ihre Fraktion nicht im Griff hat, in den äußerst schwierigen Brexit-Gesprächen überhaupt noch belastbare Ergebnisse aushandeln können?
Labour-Chef Jeremy Corbyn bescheinigte der Premierministerin vor ihrer Abreise zum Brüsseler Gipfel einen "demütigenden Autoritätsverlust". In der britischen Presse war von einer "Meuterei" und einer "Rebellion" in den Reihen der regierenden Tories die Rede.
Zwischen den Stühlen
Die Pannenserie der letzten Tage: Am Freitag vergangener Woche verkündeten May und die EU-Spitze einen Durchbruch bei den schwierigen Streitfragen der ersten Brexit-Verhandlungsphase. Ein Erfolg für May, so schien es - bis Brexit-Minister David Davis die Vereinbarungen als reine "Absichtserklärung" kleinredete und damit die Brüsseler Verhandlungspartner und May selbst vor den Kopf stieß.
Am Mittwochabend fielen ihr dann Parteikollegen aus der eigenen Fraktion in den Rücken. Das Unterhaus erzwang gegen Mays Willen das Recht, über eine finale Brexit-Vereinbarung abstimmen zu können. Die Vorlage gewann nur deshalb eine Mehrheit, weil einige Abgeordnete von Mays Tories dafür stimmten. Auf dramatische Weise zeigte sich, wie sehr Mays hauchdünne Parlamentsmehrheit ihren Verhandlungsspielraum bei den Brexit-Gesprächen in Brüssel einengt.
Dabei erwarten die Chefs der EU-Staaten vor allem eines: Klarheit über den Brexit-Kurs der Londoner Regierung. Doch May steckt in einem Dilemma: Für jedes Zugeständnis, das sie der EU macht, riskiert sie den Zorn der Brexit-Hardliner in ihrer konservativen Partei. Und für jedes Zugeständnis, das May der EU verweigert, riskiert sie eine Verhärtung der Verhandlungsposition der anderen 27 EU-Länder.
"Entscheidungsschlacht nur aufgeschoben"
Die britischen Zeitungen waren in den vergangenen Wochen voll von Gerüchten über innerparteiliche Putschpläne gegen die Premierministerin. May hangele sich nur von Woche zu Woche, sagt Anand Menon, Professor für Europäische Politik am King's College in London. "Wir haben hier eine Premierministerin, die über den jeweils kommenden Freitag nicht hinaussehen kann", sagt Menon. May sei geschwächt, ihre Regierung "störanfällig".
Als Erfolg dürfte May es verbuchen, wenn der Brüsseler EU-Gipfel am Freitag wie erwartet grünes Licht für den Start der zweiten Phase der Verhandlungen gibt. Dann soll es um die künftigen Beziehungen und das von London gewünschte Handelsabkommen gehen. Dadurch könnte May ihre Absetzung durch die eigene Partei nach Einschätzung vieler Beobachter zumindest aufschieben.
Aber Mays Probleme dürften damit daheim noch nicht zu Ende sein - im Gegenteil. Politikprofessor Menon erwartet eine Zerreißprobe für Mays Partei, weil die anstehenden Verhandlungen die parteiinternen Differenzen über die genaue Ausgestaltung des Brexit schonungslos offenlegen dürften. May werde "massive Probleme" bekommen, prophezeit er. "Die Entscheidungsschlacht ist nur aufgeschoben worden."
Quelle: ntv.de, Dario Thuburn und Peter Wuetherich, AFP