Politik

"Bandera war kein Massenmörder" Melnyk nimmt umstrittenen Nationalisten in Schutz

Für Melnyk ist Stepan Bandera ein "Freiheitskämpfer".

Für Melnyk ist Stepan Bandera ein "Freiheitskämpfer".

(Foto: picture alliance/dpa)

Der 1959 ermordete ukrainische Nationalist Stepan Bandera ist umstritten. Einige Forscher halten ihn für einen Faschisten. Botschafter Andrij Melnyk ist anderer Meinung. In einem Interview verteidigt der Diplomat Bandera gegen jede Kritik und bezeichnet ihn als "Freiheitskämpfer".

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat bestritten, dass es Beweise für den Massenmord an Juden durch Anhänger des ukrainischen Nationalistenführers Stepan Bandera gibt. "Bandera war kein Massenmörder von Juden und Polen", sagte Melnyk in einem veröffentlichten Videointerview mit dem Journalisten Tilo Jung. Das würde er auch immer wieder bestätigen. Melnyk zufolge wurde die Figur Banderas gezielt von der Sowjetunion dämonisiert. Er warf deutschen, polnischen und israelischen Historikern vor, dabei mitgespielt zu haben.

Melnyk verwies unter anderem darauf, dass der von ihm als "Freiheitskämpfer" bezeichnete Bandera knapp eine Woche nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion 1941 von den Deutschen verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht worden war. Der 1909 im damals polnischen Galizien geborene Bandera kämpfte ab den 1930er Jahren für die ukrainische Unabhängigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er 1959 in München von einem sowjetischen Agenten ermordet.

"Ich bin dagegen, dass man all die Verbrechen Bandera in die Schuhe schiebt", sagte der Diplomat. Zuvor hatte Jung Melnyk mit Opferzahlen und einem Zitat eines ukrainischen Flugblatts konfrontiert. Auf dem Flugblatt, das Bandera zugeschrieben wird, steht: "Moskowiten, Polen, Ungarn und Juden sind deine Feinde, vernichte sie!"

"Kollaborateure gab es in ganz Europa"

"Es gibt keine Belege, dass Bandera-Truppen Hunderttausende Juden ermordet haben", zeigte sich Melnyk überzeugt. Auch den Vorwurf der Zusammenarbeit mit den Nazis ließ er nicht gelten. "Was heißt kollaboriert? Kollaborateure gab es in ganz Europa - in Frankreich, in Belgien in jedem Staat", sagte Melnyk über die Kooperation ukrainischer Nationalisten mit Nazi-Deutschland. Bandera habe lediglich versucht, den Kampf zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion für eine ukrainische Unabhängigkeit auszunutzen.

Für viele ukrainische Nationalisten ist Stepan Bandera ein Held.

Für viele ukrainische Nationalisten ist Stepan Bandera ein Held.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Bandera ist in der Ukraine umstritten. Besonders seit dem Regierungssturz von 2014 wird in Teilen der Bevölkerung ein Kult um ihn und Vertreter der von ihm geführten Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) betrieben. In der Ostukraine wird er hingegen überwiegend als Kriegsverbrecher gesehen. Einige Forscher bezeichnen Bandera als Faschisten.

Bandera gilt als maßgeblich verantwortlich für die Ideologie des radikalen Flügels der OUN. Hunderte Straßen wurden nach Bandera und anderen OUN-Vertretern benannt. Die von OUN-Mitgliedern geführten nationalistischen westukrainische Partisanen kämpften im Zweiten Weltkrieg gegen Polen, Sowjets und später auch gegen die Deutschen. 1943 führten ukrainische Einheiten in Wolhynien ethnische Säuberungen durch. Dabei wurden Zehntausende polnische Zivilisten teils bestialisch ermordet.

Quelle: ntv.de, jpe/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen