EU-Recht erschwert Abschiebungen Migrationsexperte: Ruanda löst nicht alle Probleme
17.05.2024, 22:21 Uhr Artikel anhören
Sorge vor Abschiebung nach Ruanda: Asylsuchende aus Großbritannien campieren im irischen Dublin.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Großbritannien will im Juli mit der Abschiebung von Migranten nach Ruanda beginnen. Trotz der jüngsten Verschärfung des Brüsseler Asylpakts sieht der Migrationsexperte Knaus darin kein Vorbild für die EU. Die rechtlichen Hürden seien derzeit noch zu hoch, das liege vor allem an Deutschland.
Nach der Verabschiedung des verschärften EU-Asylpakts dämpft Migrationsexperte Gerald Knaus die Erwartungen an Flüchtlingsdeals mit Drittstaaten wie Ruanda. "Es wäre nicht die Lösung aller Probleme", sagte der Leiter der Europäischen Stabilitätsinitiative dem "Spiegel". "Deutschland kann sicher nicht Zehntausende nach Afrika abschieben. Wer das behauptet, versteht das Konzept nicht." In der Debatte gebe es viele Missverständnisse: "So ein Abkommen funktioniert mit einer überschaubaren Zahl von Rückführungen. Realistisch wären einige Tausend", sagte der Experte.
Knaus war kürzlich zu Gast in Ruanda, das sich bereit erklärt hat, im Zuge eines Abkommens Asylbewerber aus Großbritannien aufzunehmen. "Ein Migrationsabkommen mit Ruanda wäre ein echter Paradigmenwechsel: Nicht, weil dort viele Menschen aufgenommen würden, sondern weil sich viele mit der Perspektive einer sinnlosen Überfahrt nicht mehr auf den lebensgefährlichen Weg machten", sagte Knaus.
Der Experte betonte, dass ein EU-Abkommen mit Ruanda nach britischem Vorbild rechtlich problematisch wäre, da europäisches Recht verbietet, Menschen in Länder zu bringen, zu denen sie keinerlei persönliche Verbindung haben. "Es gibt im Moment nur eine Möglichkeit, das Problem zu lösen: ein Pilotprojekt", sagte Knaus. "Nach Artikel 78 im EU-Vertrag könnte man in einer Notlage das Verbindungskriterium für eine bestimmte Zeit auf einer bestimmten Route aussetzen. Angesichts 3000 Toter im Mittelmeer im vergangenen Jahr wäre das gerechtfertigt." Besser wäre es nach Ansicht des Experten, das EU-Recht entsprechend zu ändern: "Die meisten Staaten in der EU sind schon heute dafür. Es liegt an Deutschland", sagte Knaus dem Blatt.
15 EU-Mitglieder fordern weitere Verschärfung
Der am Dienstag von den EU-Ländern endgültig verabschiedete Asylpakt sieht vor, dass ein Migrant direkt von Europas Außengrenzen in ein "sicheres Drittland" geschickt werden kann, um dort Asyl zu beantragen. Voraussetzung ist allerdings, dass er oder sie eine ausreichende Verbindung zu diesem Drittland hat, etwa durch Angehörige. Unterschiedslose Abschiebungen in das ostafrikanische Ruanda, wie sie Großbritannien ab Juli vorsieht, sind damit vorerst in der EU nicht möglich. Auch eine einheitliche Liste "sicherer Drittländer" gibt es bisher nicht.
15 Mitgliedsländer forderten nach der Abstimmung in Brüssel eine weitere Verschärfung der Rechtslage. Sie riefen die Brüsseler EU-Kommission am Mittwoch schriftlich auf, "neue Lösungen" für eine leichtere Rückführung von Migranten in Drittstaaten vorzulegen. Es gehe darum, "die irreguläre Migration nach Europa zu verhindern", forderten Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Finnland, Estland, Griechenland, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen und Rumänien in dem Schreiben. Deutschland gehört nicht zu den Unterzeichnern.
Quelle: ntv.de, mau