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"Es muss etwas passiert sein" Mithäftling von Nawalny zweifelt offiziellen Todeszeitpunkt an

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Alexej Nawalny war seit Dezember in der Strafkolonie IK-3 interniert.

Alexej Nawalny war seit Dezember in der Strafkolonie IK-3 interniert.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Laut offiziellen Angaben stirbt Alexej Nawalny am Freitag nach einem Spaziergang in einer sibirischen Strafkolonie. Ein Insasse berichtet nun von ungewöhnlichen Vorgängen in der Haftanstalt - Stunden vor Verbreitung der Todesnachricht.

Der Putin-Kritiker Alexej Nawalny starb laut Angaben russischer Behörden am Freitag nach einem Spaziergang in der Strafkolonie IK-3. Die unabhängige russische Tageszeitung "Nowaja gaseta" hat nun mit einem angeblichen Mithäftling von Nawalny gesprochen, der in der abgelegenen Anstalt in Charp, nördlich des Polarkreises, einsitzen soll. Mit dem Blatt sprach der Insasse demnach über eine "mysteriöse Aufruhr" in IK-3 am Donnerstagabend, also einige Stunden vor der Bekanntgabe von Nawalnys Tod.

"Alles fing damit an, dass sie unsere abendliche Durchsuchung beschleunigt haben. Das passiert normalerweise an Feiertagen, wenn die Wärter es eilig haben, zu feiern", sagte der Häftling der Zeitung. Doch weder Donnerstag noch Freitag waren Feiertage. "Dann haben sie uns eingesperrt, jede Bewegung zwischen den Baracken verboten und die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Wir hörten spät in der Nacht Autos auf das Gefängnisgelände fahren, konnten aber durch unsere Zellenfenster nicht sehen, um was es sich handelte."

Am Freitagmorgen hätten die Wärter die Zellen gründlich durchsucht und Kartenspiele, Handys und sogar Heizspiralen beschlagnahmt, die sie zuvor nicht gefunden hatten. Dabei sollen die Wärter den Eindruck gemacht haben, als stünde eine externe Inspektion an.

"Ich glaube, dass er schon viel früher gestorben ist"

"Normalerweise erfahren sowohl die Verwaltung als auch die Gefangenen etwa einen Monat im Voraus von solchen Inspektionen und bereiten sich darauf vor, denn weder die Wärter noch die Gefangenen wollen, dass die Inspektoren irgendwelche Verstöße finden", führt der Häftling weiter aus. "Und so haben wir aus heiterem Himmel eine Inspektion erwartet! Es muss etwas passiert sein." Gegen zehn Uhr habe sich dann die Nachricht des Todes von Nawalny unter den Insassen verbreitet.

"Der Zellenbereich, in dem (Nawalny) untergebracht war, liegt etwas abseits der Kaserne, aber wir hätten gesehen, wie ein Krankenwagen dort vorgefahren wäre. Aber an diesem Morgen war kein Krankenwagen in der Kolonie - er erschien erst, als die Nachricht von Nawalnys Tod bekannt wurde", so der Mitgefangene. "Ich glaube also, dass er schon viel früher gestorben ist, als offiziell verkündet wurde - höchstwahrscheinlich in der Nacht zuvor. Warum sonst sollten sie uns komplett einsperren und so gründlich durchsuchen?"

Der Häftling sagte der Zeitung, dass sowohl der Gefängnisdirektor als auch der Leiter der Strafkolonie unmittelbar nach der Bekanntgabe der Todesmeldung einen verstörten Eindruck gemacht hätten. "Am Nachmittag fuhren mehrere Autos vor der Verwaltungseinheit vor. Einer kam aus dem IK-18-Gefängnis, einer aus Salechard und ein paar andere offenbar aus Labytnangi. Ich glaube, sie wollten ihre Geschichten abstimmen, bevor die Inspektoren eintrafen."

Später hätten die Insassen erfahren, dass Inspektoren des föderalen Strafvollzugsdienstes auf dem Weg in die Strafkolonie seien. Die Quelle sieht dies als weiteren Beleg dafür, dass Nawalny viel früher als berichtet gestorben sei.

Die Angaben des angeblichen Mithäftlings lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Bislang haben die Behörden Nawalnys Leiche nicht seiner Familie übergeben. Die Untersuchung der Todesumstände laufe nach Kremlangaben noch. Nawalnys Hinterbliebene fordern eine unabhängige Obduktion.

Quelle: ntv.de, jpe

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