Ein Betrug durch die Weißhelme? Moskau: Luftangriff auf Schule nur inszeniert
28.10.2016, 18:00 Uhr
Alles nur Photoshop? Ein Bild der zerstörten Schule im Ort Haas.
(Foto: REUTERS)
Wer ist für den Angriff auf eine syrische Schule in Haas verantwortlich? Gerade erst erklärte Moskaus UN-Botschafter: "Ich hoffe, wir haben damit nichts zu tun." Nun nennt Moskau den Angriff eine Inszenierung.
Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin nannte den Vorfall "schrecklich" und sagte: "Ich hoffe, wir haben nichts damit zu tun. Gemeint war der Luftangriff auf eine Schule nahe dem Ort Haas in der syrischen Provinz Idlib, bei dem in dieser Woche mindestens 35 Menschen starben, unter ihnen 22 Schulkinder. Nun kommen allerdings andere Töne aus Moskau. Wie aus dem russischen Verteidigungsministerium verlautet, war der Angriff gar kein Angriff, sondern alles nur eine Inszenierung. Dies berichtet die russischsprachige Webseite Meduza.
Am Vortag sei kein russisches Flugzeug in dieser Region geflogen, sagte Militärsprecher Igor Konaschenkow in Moskau. Zudem wurden Fotos gezeigt, die von einer russischen Drohne aufgenommen worden sein sollen. Danach zeige zum Beispiel das Schuldach keine Spuren eines Luftangriffs, hieß es vom Militär. Auch seien nicht alle Wände des Gebäudes zerstört worden. Weiter erklärte Moskau, dass die in westlichen Medien veröffentlichten Videos der angeblichen Zerstörungen aus einzelnen Einstellungen zusammengesetzt seien, aufgenommen zu verschiedenen Tageszeiten.
Moskau erklärt auch, wer hinter der angeblichen Inszenierung steckt: die syrischen Weißhelme. Die Hilfsorganisation war im Herbst erst wegen der Rettung von Zivilisten nach Angriffen mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef sei Opfer eines Betrugs durch die Weißhelme geworden, so Konaschenkow.
"Terroristen müssen erledigt werden"
Russland bekräftigte indes gemeinsam mit der syrischen Regierung und dem Iran den Willen zur gewaltsamen Rückeroberung der Stadt Aleppo. Die drei Staaten hätten einen verstärkten Kampf gegen den Terror vereinbart, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach Gesprächen mit seinen Kollegen. Fragen der Versorgung der Bevölkerung und einer Wiederbelebung des Friedensprozesses sollten parallel gelöst werden. "Terroristen müssen erledigt werden. Während unsere westlichen Partner nur in Worten gegen den Terror kämpfen, werden wir die Sache in der Praxis zu Ende führen", sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge.
Ähnlich kämpferisch sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallem: "Wir werden unsere Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus nicht verringern, wir werden Aleppo von Terroristen befreien und die Einheit der Stadt wiederherstellen." Die Führung in Damaskus bezeichnet Regimegegner pauschal als Terroristen.
Man sei für eine Waffenruhe und humanitäre Hilfe in Syrien, sagte der iranische Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Diese müssten aber zu einer dauerhaften politischen Lösung führen. "Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine genauere Koordination erforderlich, und deswegen führen wir diese Verhandlungen in Moskau."
Das demonstrative Dreiertreffen der Außenminister war das erste seit dem militärischen Eingreifen Russlands in Syrien vor gut einem Jahr. Zur Unterstützung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad setzt Moskau vor allem Luftwaffe und Militärberater am Boden ein. Der Iran hat angeblich mehrere Tausend Kämpfer nach Syrien entsandt. Im Ostteil von Aleppo, der von Regimegegnern gehalten wird, sind nach UN-Schätzungen immer noch über 200.000 Menschen eingeschlossen. Eine Neuauflage der gescheiterten Feuerpause sei zwar möglich, sagte Al-Mullaem. Dafür müssten die Staaten, die die Rebellen unterstützten, aber sicherstellen, dass Zivilisten diesmal den eingekreisten Ostteil verlassen dürften. Lawrow sagte, er sehe keine Möglichkeit, dass extremistische islamistische Gruppen und die sogenannte gemäßigte Opposition in Aleppo sich trennen ließen.
Das Leid der Zivilbevölkerung in Aleppo sei das gleiche wie in Mossul im Irak, sagte der russische Minister. "Ich sehe keinen Unterschied." In Mossul versucht die irakische Armee mit westlicher Unterstützung, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu vertreiben. Die Offensive gegen Mossul verändere die Kräfteverhältnisse in der Region und könne eine neue Massenflucht auslösen, sagte Lawrow. Die internationale Koalition wolle den IS nicht zerstören, sagte Al-Mullaem: "Sie wollen, dass IS-Kämpfer von Mossul nach Rakka (in Syrien) gehen."
Russland gegen UN-Ermittlungen wegen Giftgasangriffen
Im Sicherheitsrat der UN blockierte Russland an diesem Donnerstag weitere internationale Ermittlungen gegen die syrische Armee wegen des Vorwurfs von Giftgasangriffen ab. Die Ergebnisse der Untersuchungskommission unter UN-Beteiligung seien weder abschließend noch rechtlich bindend, erklärte UN-Botschafter Tschurkin. Daher könnten sie nicht als Grundlage für etwaige Sanktionen dienen. Stattdessen solle die syrische Regierung die Hintergründe der Gasangriffe untersuchen
Damit erteilt Russland dem Wunsch der USA, Großbritanniens und Frankreichs eine Absage, das Ende Oktober auslaufende Mandat für die internationale Untersuchung um zwölf Monate zu verlängern. Die Westmächte wollten dies erreichen, bevor Verhandlungen über internationale Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Gasangriffe starten.
Der sogenannte Gemeinsame Untersuchungsmechanismus der UN und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) war 2015 gegründet worden. Es soll den Einsatz von Giftgas im syrischen Bürgerkrieg aufklären. Vergangenen Freitag erhob das Gremium schwere Vorwürfe gegen die syrische Luftwaffe. Nach dem mittlerweile vierten Untersuchungsbericht hat die syrische Luftwaffe demnach aus Hubschraubern Fassbomben mit Chlorgas abgeworfen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts