Die letzten Kämpfer von Asowstal Moskau berichtet von 770 weiteren Gefangenen
20.05.2022, 12:32 Uhr (aktualisiert)
Die ukrainischen Kämpfer werden mit Bussen vom Stahlwerk weggebracht.
(Foto: REUTERS)
Noch gibt es aus Kiew keine Bestätigung. Doch Angaben aus Moskau zufolge sollen sich Hunderte weitere Kämpfer aus dem Stahlwerk Asowstal in russische Hand begeben haben. Damit stehen die Russen kurz davor, ganz Mariupol zu beherrschen.
In der ukrainischen Hafenstadt Mariupol hat sich nach russischen Angaben der größte Teil der Kämpfer aus dem belagerten Stahlwerk Asowstal inzwischen ergeben. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien dort mehr als 770 Ukrainer gefangen genommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Damit hätten sich seit Beginn der Woche 1730 Kämpfer ergeben. Unklar ist, wie viele Menschen sich nun noch auf dem Werksgelände aufhalten. Nach früheren russischen Angaben müssten dies noch einige Hundert sein. Von ukrainischer Seite gab es für die Zahlen bislang keine Bestätigung.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) registrierte indes Hunderte ukrainische Kriegsgefangene aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol. Auf russische und ukrainische Bitte hin habe ein IKRK-Team am Dienstag vor Ort begonnen, bei ukrainischen Kämpfern, die das Stahlwerk verließen, persönliche Daten abzufragen. Darunter seien auch Verwundete.
Die Prozedur dient laut IKRK dazu, nachverfolgen zu können, wo sich die Kriegsgefangenen befinden - und sie dabei zu unterstützen, im Kontakt mit ihren Angehörigen zu bleiben. Das IKRK erklärte, es beteilige sich nicht am Transport der Kriegsgefangenen und verwies auf die Verpflichtung aller Vertragsstaaten der Genfer Konventionen, dem Roten Kreuz Zugang zu Kriegsgefangenen zu gewähren.
Kiew hatte zuletzt Anfang der Woche von etwas mehr als 260 evakuierten Soldaten gesprochen und danach lediglich mitgeteilt, dass die "humanitäre Operation" fortgesetzt werde. Mit Blick auf die nun von Russland veröffentlichten Zahlen könnte sich nach knapp drei Monaten Krieg eine vollständige Eroberung Mariupols abzeichnen.
Wochenlang verschanzt
Russland hatte die strategisch wichtige Stadt am Asowschen Meer Anfang März gemeinsam mit prorussischen Separatisten eingekesselt und weitgehend erobert. Die ukrainischen Kämpfer, die sich auf dem weiträumigen Gelände des Stahlwerks verschanzten, wurden zu Mariupols letzten Verteidigern. Russischen Schätzungen zufolge sollen vor Beginn der Evakuierungsmission noch etwa 2500 Soldaten in dem Werk ausgeharrt haben.
Unklar ist weiter auch, ob sich Moskau - wie von Kiew erhofft - auf einen Austausch der ukrainischen Soldaten gegen russische Kriegsgefangene einlässt. Insgesamt 80 der 1730 gefangen genommenen Ukrainer sollen russischen Angaben zufolge verletzt sein. Die Schwerverletzten seien in ein Krankenhaus im russisch kontrollierten Nowoasowsk gebracht worden, hieß es.
Die USA werfen den russischen Besatzern der Hafenstadt schwere Misshandlungen und Plünderungen vor. Russische Beamte seien "besorgt, dass diese Taten die Einwohner von Mariupol noch mehr zum Widerstand gegen die russische Besatzung anspornen könnten", sagte ein US-Vertreter.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 19. Mai 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP