"Großteil der Anstrengungen" Moskau richtet Fokus auf "Befreiung" des Donbass
25.03.2022, 16:38 Uhr
Der russische Angriff auf die Ukraine soll sich stärker als bisher auf den Donbass konzentrieren.
(Foto: picture alliance / AA)
Der russische Angriff auf die Ukraine läuft offenbar nicht so, wie von Moskau geplant. Die Armee erleidet Verluste, ein schnelles Erreichen der Ziele gelang nicht, auch wenn man das nun behauptet. Jetzt werde man den Fokus auf die "Befreiung" des Donbass richten, heißt es aus dem Kreml.
Die russischen Streitkräfte konzentrieren sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau auf die völlige "Befreiung" des Donbass. Generell werde nicht ausgeschlossen, verbarrikadierte ukrainische Städte zu stürmen, erklärt das Ministerium laut russischer Nachrichtenagentur Ifax. Für die "Spezial-Operation" in der Ukraine habe das Ministerium zwei Optionen erwogen: entweder innerhalb der Separatisten-Gebiete im Donbass oder im gesamten Territorium der Ukraine. Die ersten bei dem militärischen "Sondereinsatz" in der Ukraine gesetzten Ziele seien erreicht und die "ukrainischen Kampfeinheiten in bedeutendem Umfang reduziert worden", sagte der stellvertretende Generalstabschef Sergej Rudskoj. Damit könne die Armee künftig "den Großteil ihrer Anstrengungen auf das Hauptziel richten: Die Befreiung des Donbass".
Ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums sagte in einem Briefing mit Journalisten mit Blick auf die russischen Truppen: "Sie sind auf den Donbass konzentriert." Ein russischer Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew sei derzeit nicht zu beobachten. "Sie graben sich ein, sie bauen Verteidigungspositionen auf." Der Pentagon-Vertreter sagte weiter: "Offensichtlich haben sie ihre Fähigkeit, Kiew einzunehmen, überschätzt. Und offen gesagt haben sie ihre Fähigkeit überschätzt, irgendein Bevölkerungszentrum einzunehmen: Und sie haben den ukrainischen Widerstand eindeutig unterschätzt."
Den Einmarsch auf Gebiet der Ukraine hatte Russlands Präsident Wladimir Putin unter anderem damit begründet, die russische Minderheit im Donbass, in dem die Separatistengebiete Luhansk und Donezk liegen, schützen zu müssen. Die "Sonder-Militäroperation", mit der Putin seinen Angriffskrieg umschreibt, begründete der Präsident auch mit einem angeblichen Völkermord an der russischen oder russischsprachigen Minderheit in der Ostukraine. Sie gelte dem "Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind". Die Beobachtermission der OSZE, die seit der Annexion der Krim 2014 das Geschehen in den umkämpften Gebieten im Donbass begleitet, konnte keine Hinweise darauf finden.
Kurz vor dem Einmarsch erkannte Putin schließlich die Unabhängigkeit der ostukrainischen Separatistenregionen Luhansk und Donezk an - nachdem die dortigen Rebellenführer ihn um Hilfe vor einem vermeintlich drohenden Angriff der Ukraine gebeten hatten. In den Gebieten kämpften seit 2014 prorussische Milizen gegen die ukrainische Armee.
"Frage des Donbass ist eine sehr schwierige Geschichte"
Inzwischen sind durch den Krieg Tausende Zivilisten ums Leben gekommen, rund vier Millionen Menschen haben auf der Flucht das Land verlassen. Nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mussten mehr als zehn Millionen Menschen ihre Häuser verlassen, 6,5 Millionen lebten als Binnenflüchtlinge in der Ukraine. Mehrere ukrainische Großstädte, darunter die Hauptstadt Kiew, befinden sich im Belagerungszustand oder galten und gelten als eingekesselt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Morgen gesagt, eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine sei noch immer möglich, es bestehe aber weiterhin Uneinigkeit in einigen Verhandlungspunkten: "Natürlich fühlt die Ukraine sich mit Themen wie der Krim und dem Donbass nicht sonderlich wohl", sagte Erdogan.
Nach Einschätzung Erdogans könnten sich die Parteien bei vier von sechs diskutierten Hauptthemen einigen. Umstritten blieben territoriale Fragen, sagt Erdogan türkischen Medien zufolge auf der Rückreise vom Nato-Gipfel in Brüssel. Dies betreffe die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim und den Donbass im Osten der Ukraine. Moskau fordert einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt und eine Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten sowie der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Gebiet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zu Beginn der Woche über die 2014 annektierte Halbinsel und die international nicht anerkannten "Volksrepubliken" im Osten des Landes gesagt, "die Frage der Krim und des Donbass ist für alle eine sehr schwierige Geschichte". Er forderte "Sicherheitsgarantien" und ein Ende der russischen Angriffe. Danach könnten er und Putin "über alle Fragen" sprechen. "Würden wir sie alle klären? Nein. Aber es gibt eine Chance, dass wir es teilweise schaffen - zumindest um den Krieg zu beenden", fügte er hinzu. Selenskyj betonte, dass die Krim und die "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk zur Ukraine gehörten, und dass sein Land nicht kapitulieren werde. Über jegliches Abkommen mit Moskau, das "historische" Veränderungen mit sich bringe, müssten letztlich die Ukrainer in einem Referendum abstimmen, fügte er hinzu.
Quelle: ntv.de, ter/rts/dpa