Politik

Ostflanke wird massiv verstärkt NATO nennt Russland "größte und unmittelbarste Bedrohung"

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Auf ihrem Gipfel in Madrid beschließt die NATO ein neues Strategie-Konzept. Als Reaktion auf den Überfall auf die Ukraine wird darin Russland als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit" bezeichnet. Doch auch China wird diesmal erwähnt. Und die Ostflanke wird deutlich ausgebaut.

Die Staats- und Regierungschefs der 30 NATO-Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. Das bestätigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der ersten Arbeitssitzung. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum" bezeichnet, China als Herausforderung. Zudem beschloss die NATO den Beginn der Beitrittsgespräche mit Finnland und Schweden.

Außerdem einigten sich die 30 NATO-Staaten angesichts von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf eine deutliche Verstärkung der Ostflanke. Daneben stimmten die Staats- und Regierungschefs einem neuen Streitkräfte-Modell zu. Es sieht vor, künftig mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft zu halten. Die bisherige schnelle NATO-Eingreiftruppe NRF soll durch das neue Streitkräfte-Modell ersetzt werden. Sie hat lediglich eine Größe von rund 40.000 Soldaten.

An der Ostflanke sollen die existierenden multinationalen NATO-Gefechtsverbände auf Brigade-Niveau ausgebaut werden. Derzeit umfasst beispielsweise der Verband in Litauen 1600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten. Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will. Die künftig mehr als 300.000 schnellen Eingreifkräfte sollen in Friedenszeiten in der Regel unter nationalem Kommando stehen, könnten dann aber im Ernstfall vom Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa (Saceur) angefordert werden. Für die Truppen würden zudem feste Zeiten für die Einsatzbereitschaft vorgegeben.

Die NATO sagte der Ukraine weitere Unterstützung zu. Die 30 Mitgliedstaaten hätten ein umfassendes Paket vereinbart, sagte Generalsekretär Stoltenberg. Dazu gehörten sichere Kommunikationsmittel, Treibstoff, medizinische Versorgung, Schutzwesten und Ausrüstung zur Bekämpfung von Minen sowie chemischen und biologischen Bedrohungen. Auch Hunderte tragbare Drohnenabwehrsysteme seien Teil des Pakets. "Längerfristig werden wir die Ukraine bei der Umstellung von Ausrüstung aus der Sowjet-Ära auf moderne NATO-Ausrüstung unterstützen", so Stoltenberg. "Die Ukraine kann so lange auf uns zählen, wie es nötig ist."

Stoltenberg erhob schwere Vorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Der Krieg von Präsident Putin gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa erschüttert und die größte Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst", sagte er. "Die NATO hat mit Stärke und Einigkeit reagiert."

"Russische Föderation nicht als Partner betrachten"

Das neue strategische Konzept ersetzt die vorherige Version aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine "echte strategische Partnerschaft" mit dem Land gesetzt. Im neuen Konzept heißt es nun: "Angesichts ihrer feindseligen Politik und Handlungen können wir die Russische Föderation nicht als unseren Partner betrachten." Die Beziehungen könnten sich erst dann wieder ändern, wenn Russland sein aggressives Verhalten einstelle und das Völkerrecht in vollem Umfang einhalte. Man bleibe jedoch bereit, die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten, um Risiken zu mindern, Eskalationen zu verhindern und mehr Transparenz zu schaffen.

Im Vorwort heißt es: "Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat den Frieden zunichte gemacht und unser Sicherheitsumfeld schwerwiegend verändert." Man unterstreiche die Notwendigkeit, Abschreckung und Verteidigung deutlich zu stärken. Russlands Einmarsch in die Ukraine wird als brutal und rechtswidrig bezeichnet. Wiederholte Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und abscheuliche Angriffe und Gräueltaten hätten unsägliches Leid und entsetzliche Verwüstung verursacht.

Als Bedrohung für die NATO-Staaten werden in dem Konzept unter anderem Russlands Versuche beschrieben, sich über Zwang, Subversion, Aggression und Annexion Einflusssphären zu schaffen. Die erwiesene Bereitschaft des Landes, Gewalt zur Verfolgung politischer Ziele einzusetzen, untergrabe die regelbasierte internationale Ordnung. In Folge dieser Politik wird die NATO dem Konzept zufolge die "Abschreckung und Verteidigung für alle Verbündeten deutlich stärken" und auch Partner dabei unterstützen, "böswillige Einmischung und Aggression abzuwehren". Zugleich wird festgehalten, dass die NATO keine Konfrontation suche und für Russland keine Bedrohung darstelle.

Auch China wird diesmal erwähnt

Vor allem auf Druck der USA hin wird im neuen strategischen Konzept auch auf China eingegangen. Es wird dort als Land beschrieben, das versucht, strategisch wichtige Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie Lieferketten unter seine Kontrolle zu bringen. Als Gefahr wird zudem die zunehmende strategische Abstimmung zwischen China und Russland genannt.

In Reaktion auf die "systemischen Herausforderungen" durch China wollen die NATO-Staaten nun ihr gemeinsames Lagebild verbessern und die Resilienz und Abwehrbereitschaft erhöhen. Damit will man sich auch gegen Versuche Chinas schützen, das Bündnis zu spalten. Als konkrete Bedrohungen werden eine undurchsichtige militärische Aufrüstung, böswillige Cyberangriffe und Desinformation genannt. Wie auch bei Russland wird allerdings festgehalten, dass die NATO für konstruktive Gespräche zur Wahrung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses offen bleibt.

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Sich selbst beschreibt die NATO im Vorwort zum Konzept als "ein Bollwerk" der regelbasierten internationalen Ordnung. "Wir bleiben fest entschlossen, unsere eine Milliarde Bürger zu schützen, unser Gebiet zu verteidigen und unsere Freiheit und Demokratie zu sichern", heißt es dort.

Daneben sieht die NATO die von den Menschen gemachten Veränderungen des Klimas als zunehmendes Sicherheitsrisiko. "Der Klimawandel ist eine bestimmende Herausforderung unserer Zeit mit einer gewichtigen Wirkung für die Bündnissicherheit. Er vervielfacht Risiken", heißt es in der Erklärung. Beschlossenes Ziel ist es demnach, den Ausstoß von Treibhausgasen im politischen Betrieb und in den militärischen Strukturen zu verringern. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zuvor angekündigt, die Verteidigungsallianz wolle ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 45 Prozent senken. Bis 2050 solle die NATO klimaneutral werden.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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