Nach Alleingang der Grünen Nehammer macht weiter, obwohl es "keinen Sinn" hat
17.06.2024, 19:34 Uhr Artikel anhören
Der Kanzler steht stark unter Druck: In den Umfragen für die Wahl im September liegt die FPÖ an erster Stelle.
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Die EU beschließt mit den Stimmen Österreichs ein Naturschutzgesetz. Doch die zuständige Ministerin handelt gegen den Willen des Kanzlers. Der ist empört und sieht die Koalition am Ende. Umfragen stellen der ÖVP jedoch herbe Verluste in Aussicht. Und so hält der Regierungschef am Bündnis fest.
Österreichs Kanzler Karl Nehammer will die Regierungszusammenarbeit mit den Grünen trotz eines schweren Konflikts um ein EU-Umweltschutzgesetz nicht beenden. Eigentlich sei die Koalition am Ende, sagte der ÖVP-Chef in Brüssel. "Wenn Sie mich nach meiner Emotion fragen: Ja, es ist Zeit, es hat so keinen Sinn", sagte er vor Journalisten. Zuvor hatte Grünen-Umweltministerin Leonore Gewessler einem ambitionierten EU-Umweltgesetz gegen den Willen der ÖVP zugestimmt.
Dies sei "ein mehr als schwerer Vertrauensbruch", sagte Nehammer. Doch mit einem Platzen der Regierung wenige Monate vor der Parlamentswahl würde das Land ins Chaos stürzen. "Ich werde das nicht tun", sagte er. In Österreich wird am 29. September ein neues Parlament gewählt.
Am Vormittag hatte Gewessler bei einem Treffen von EU-Umweltministerinnen und -ministern in Luxemburg mit ihrer Stimme eine Mehrheit für das umstrittene EU-Renaturierungsgesetz ermöglicht. Kurz nach ihrem Votum kündigte die ÖVP eine strafrechtliche Anzeige gegen Gewessler wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs an. Außerdem will das Kanzleramt das EU-Gesetz mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof verhindern.
Aus Sicht der ÖVP hat sich Gewessler widerrechtlich über andere Kabinettsmitglieder und über ein bestehendes Veto der österreichischen Länderchefs gegen das Gesetz hinweggesetzt. Das Votum Gewesslers "entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden", hatte das Kanzleramt erklärt. "Niemand steht über dem Recht." Gewessler sieht ihr Vorgehen jedoch rechtlich gedeckt.
Vizekanzler Kogler sah den angekündigten rechtlichen Schritten in einer Stellungnahme "sehr, sehr gelassen entgegen". Er sei "der völligen Überzeugung, dass wir in Ruhe und mit Kraft in der Regierung weiterarbeiten sollen".
Nehammer steht stark unter Druck. Die ÖVP wurde bei der EU-Wahl von der rechten und EU-kritischen FPÖ überholt und auf den zweiten Platz verwiesen. Auch in den Umfragen für die Wahl im September liegt die FPÖ an erster Stelle.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP