Politik

Giftige Stimmung bei Befragung Neuer Kanzler kann Kurz' Skandale nicht abschütteln

Es sollte ein langer Termin werden: Nehammer trifft zur BEfragung ein.

Es sollte ein langer Termin werden: Nehammer trifft zur BEfragung ein.

(Foto: picture alliance/dpa/APA)

Neuer Kanzler, altes Problem: Österreich hat den Ibiza-Schock noch immer nicht verwunden. Sebastian Kurz' Nach-Nachfolger Karl Nehammer muss vor den nächsten Untersuchungsausschuss, um brisante Korruptionsvorwürfe gegen seine Partei auszuräumen - und wird Teil eines absurden Schauspiels.

Eine Stunde dauert es, bis dem ersten Abgeordneten der Kragen platzt: "Wir sollten so langsam in einen Arbeitsmodus kommen", sagt der Sozialdemokrat Jan Krainer. "Sonst können wir uns diese Veranstaltung hier sparen." Eigentlich soll es an diesem Morgen in der Wiener Hofburg um Aufklärung gehen, bitter nötige Aufklärung: Noch immer ist der österreichische Politsumpf nicht vollständig erkundet, von dem der Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte berichtete. Vor drei Jahren kam der Mitschnitt an die Öffentlichkeit, seitdem wankt das politische Wien von Affäre zu Affäre.

Eine Regierung kam zu Fall, Ex-Kanzler Sebastian Kurz trat nach Razzien wegen Korruptionsermittlungen den Rückzug an, einige ehemalige Minister stehen ebenfalls im Visier der Justiz, der höchste Justizbeamte der Republik wurde suspendiert. Mittlerweile hat sich die Verdachtslage weg von den Haider-Erben der rechtspopulistischen FPÖ und hin zur konservativen ÖVP verlagert: Hat die Volkspartei, seit drei Jahrzehnten Teil der Regierung, sich den Staat als Selbstbedienungsladen eingerichtet? Hat sie Posten an Parteifreunde und Gönner vergeben, hat sie Justiz und Polizei unter ihre Fuchtel gebracht?

Das soll der "ÖVP-Untersuchungsausschuss" im Camineum der Hofburg beleuchten, wo mit Kurz' Nach-Nachfolger Karl Nehammer ein Hochkaräter als erste Auskunftsperson geladen ist. Aber Wunsch und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander in der österreichischen Innenpolitik, und so gerät der Auftakt für das große Aufräumen eher zu einer Art Politischem Aschermittwoch.

"Weitermachen, bis es finster wird"

Karl Nehammer, so sagt er es zumindest in seinem Eingangsstatement, wünscht sich für den Ausschuss "mehr Respekt" voreinander, er ahnt wohl, dass es ein frommer Wunsch bleiben wird. Schon beim Vorgänger, dem "Ibiza"-Ausschuss, lieferten sich die Abgeordneten heftige Rededuelle. Legendär der Auftritt des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der den Ausschuss mit klassischem Zeitspiel nach Vorbild des US-amerikanischen "Filibusters" kalt lahmlegte.

Der jetzt eingesetzte Ausschuss ist quasi eine Neuauflage, bei der angespannten Stimmung im Saal könnte man durchaus sagen: ein Rückkampf. Den Ton hatte der Ausschussvorsitzende, ÖVP-Mann Wolfgang Sobotka, gleich zu Anfang selbst gesetzt - er drehte den Abgeordneten den Ton ab. Die Mikrofone, normalerweise am Tisch zu bedienen, wurden zu Beginn vom Pult Sobotkas kontrolliert, zur Empörung aller Fraktionen außer der ÖVP. Knapp eine halbe Stunde erhitzte Debatte später dürfen die Abgeordneten ihre Mikrofone wieder selbstständig steuern. Das erste Scharmützel von vielen.

Karl Nehammer hatte nach seinem Eingangsstatement quasi Sendepause und verbrachte die restlichen gut fünf Stunden weniger als Auskunftsperson denn als Zaungast im Hickhack zwischen ÖVP und dem Rest der Abgeordneten. Zum Antworten kam der Kanzler kaum, weil schon die Fragen abgewürgt wurden durch immergleiche Geschäftsordnungsdebatten, ob sie den Untersuchungsgegenstand berühren. Ein ritualisiertes Schauspiel, bekannt aus dem "alten" Ibiza-Untersuchungsausschuss: Die ÖVP-Abgeordneten machen ihren Parteifreunden auf dem Platz der Auskunftsperson die Mauer. "Wir können gern so weitermachen, bis es finster wird", sagte ÖVP-Mann Christian Stocker inmitten einer weiteren Endlos-Geschäftsdebatte.

Die Politik als Hure der Reichen?

Der Ausschuss ist nur die politische Bühne für die Aufarbeitung des gewaltigen Ibiza-Komplexes, die eigentliche Aufklärungsarbeit erledigen die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie haben die Razzien gegen Minister und Beamte geführt, sie haben Handys und Laptops ausgewertet. Besondere Berühmtheit hat das Smartphone von Thomas Schmid erlangt, enger Wegbegleiter von Sebastian Kurz und zuletzt Chef der Staatsholding ÖBAG.

Schmid, eine zentrale Figur im Korruptionskomplex, hätte ebenfalls an diesem Aschermittwoch im Ausschuss aussagen sollen, er lebt allerdings offenbar mittlerweile im Ausland, eine Vorladung lief ins Leere. Es sind vor allem seine Chats, die einen Einblick geliefert haben in den Maschinenraum der Macht, in dem, so drückt es die Grüne Nina Tomaselli am Rande des Ausschusses aus, "ein kleiner Machtzirkel um Sebastian Kurz das Land getäuscht, Postenschacher betrieben und Superreichen Spezialbehandlungen zugute kommen lassen hat".

Das beste Beispiel bietet ein Mann, der ebenfalls eine Vorladung zum Ausschuss ausschlug: Multimillionär und Manager Siegfried Wolf beschwerte sich Ende 2016 über eine Steuernachzahlung, nicht etwa beim zuständigen Sachbearbeiter, sondern bei Kurz-Intimus Thomas Schmid, damals hoher Beamter im Finanzministerium. Schmid kümmerte sich rührend um Wolf, laut Vorwurf der Korruptionsermittler befasste sich danach eine leitende Finanzbeamte mit dem Fall - und wurde im Gegenzug befördert. Als ein Mitarbeiter des Ministeriums wegen der Extrawurst für Wolf bockte, wies ihn Schmid zurecht: "Nicht vergessen, du hacklst [arbeitest, die Red.] im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure der Reichen."

Auf eine Vorladung wird der Ausschuss besonders gespannt sein: Dem Vernehmen nach plant die Opposition, auch Altbundeskanzler Sebastian Kurz als Auskunftsperson zu nominieren. Ob er Folge leistet, ist unklar - er arbeitet ja mittlerweile im Silicon Valley als "Global Strategist" für den Investor Peter Thiel. Die Innenpolitik in seinem Heimatland verfolgt Kurz immer noch: Als vergangene Woche das Geständnis der Umfrageforscherin Sabine Beinschab ruchbar wurde, die für die ÖVP frisierte Umfragen gegen Steuergeld in einer Gratiszeitung untergebracht haben soll, sah sich Kurz vollumfänglich entlastet. Fraglich, ob auch die Justiz das so sieht: Noch laufen zwei Ermittlungsverfahren gegen Kurz, eines wegen Bestechlichkeit, das andere wegen Falschaussage - vor dem "Ibiza"-Untersuchungsausschuss.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen