Politik

Regierung rückt von Inzidenz ab Neuer Lockdown wird unwahrscheinlicher

Bei einer Inzidenz von 100 soll nicht mehr automatisch die Bundesnotbremse gezogen werden.

Bei einer Inzidenz von 100 soll nicht mehr automatisch die Bundesnotbremse gezogen werden.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder. Doch die Bundesregierung will sich nicht mehr so stark von der Inzidenz leiten lassen. Neue Beschränkungen wie ein weiterer Lockdown werden dadurch unwahrscheinlicher.

Die Bundesregierung löst sich ein Stück weit von der Sieben-Tage-Inzidenz als Maßstab für möglicherweise wieder drohende Corona-Einschränkungen. Die Zahl bleibe zwar eine wichtige Orientierung, betonten sowohl Regierungssprecher Steffen Seibert als auch ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Seibert verwies aber darauf, dass sich der Zusammenhang zwischen Fallzahlen und etwa der Zahl der Intensivpatienten "möglicherweise verändert" habe. Es gebe deshalb keinen "Automatismus", sagte er auf die Frage, ob eine Bundesnotbremse bei einer Inzidenz von 100 wieder eingeführt werde solle.

Man werde dies notfalls in Abhängigkeit der Fallzahlen, der Fortschritte beim Impfen und der wissenschaftlichen Einschätzung entscheiden, fügt er hinzu. Jetzt gehe es aber vor allem darum, einen Anstieg der noch niedrigen Zahlen zu verhindern. Damit könnte die Wahrscheinlichkeit, dass in der erwarteten vierten Welle neue Beschränkungen oder ein Lockdown verhängt werden, sinken.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans hatte zuvor gefordert, die Bundesnotbremse mit ihren Ausgangsbeschränkungen nicht mehr an die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 zu knüpfen. Hintergrund ist, dass die Impfungen vor allem der Älteren dafür gesorgt haben, dass auch bei steigenden Infektionszahlen weniger Menschen ins Krankenhaus kommen, auf Intensivstationen behandelt werden müssen oder sterben, als dies in den vergangenen Pandemie-Wellen der Fall war.

Bundesregierung: Inzidenz bleibt wichtiger Frühindikator

Kanzleramtschef Helge Braun hatte bereits betont, dass er wegen der fortschreitenden Impfkampagne nicht mit einem erneuten Lockdown im Herbst oder Winter rechne. Sowohl international als auch national ist deshalb eine Debatte ausgebrochen, ob man sich überhaupt noch an der Sieben-Tage-Inzidenz orientieren sollte.

Sowohl die Bundesregierung als auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verwiesen aber auf die wichtige Frühindikator-Rolle der Inzidenz. Nur werde das Robert-Koch-Institut (RKI) künftig zusätzlich auch auf die Hospitalisierungsrate achten. Diese soll Aufschluss geben über eine mögliche Überforderung des Gesundheitssystems.

Die Zahl der Corona-Intensivpatienten wird allerdings auch bereits vom sogenannten Divi-Register der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin erhoben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forderte eine Beschleunigung des Impftempos. Am Sonntag seien so wenige Menschen in Deutschland geimpft worden wie zuletzt im Februar, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. "Anders als im Februar ist nun aber genug Impfstoff da", fügte er hinzu.

Das RKI hatte zuvor 324 neue Positiv-Tests gemeldet - das sind 112 mehr als am Montag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg den sechsten Tag in Folge an auf 6,4 von 6,2 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Das Gesundheitsministerium betonte, dass der Wert immer noch niedrig sei.

Ärzte fordern Impfpflicht für bestimmte Berufe

Laut Spahn sind derzeit 42,6 Prozent oder 35,4 Millionen Bürger vollständig geimpft, 48,6 Millionen oder 58,5 Prozent seien mindestens einmal geimpft. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte gegenüber der Funke-Mediengruppe eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen im Bildungsbereich sowie für Ärzte und Schwestern. Die Bundesregierung lehnt dies ab.

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Auch international wird debattiert, ob es bei einer steigenden Impfquote trotz wachsender Infektionszahlen noch Corona-Beschränkungen braucht. Die britische Regierung etwa denkt trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 daran, die Beschränkungen ab dem 19. Juli aufzuheben. Man werde sich die Entwicklung in Großbritannien sehr genau anschauen, sagte Regierungssprecher Seibert.

Das RKI hatte darauf verwiesen, dass man auch die Langzeitschäden bei Kindern bei einer Corona-Infektion mitbeachten müsse. Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es derzeit noch keinen einsetzbaren Impfstoff.

Quelle: ntv.de, chl/rts

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