Turbulente Tage in Italien Nun also doch - Draghi will seine Regierung retten
20.07.2022, 10:44 Uhr Artikel anhören
Draghi hielt eine energische Rede im Senat.
(Foto: picture alliance / ANSA)
Fünf Tage nach seinem Rücktrittsgesuch lenkt der italienische Ministerpräsident ein - im Senat fordert Draghi die zerstrittenen Regierungsparteien auf, sich hinter ihn zu stellen. Für den Abend ist eine Vertrauensabstimmung in der Parlamentskammer anberaumt.
Nach seinem gescheiterten Rücktrittsangebot ist Mario Draghi doch bereit, italienischer Ministerpräsident zu bleiben. In einer Rede im Senat forderte der parteilose Ökonom die zuletzt zerstrittenen Regierungsparteien aber auf, sich geschlossen hinter ihn und die Exekutive zu stellen. Für den Abend ist eine Vertrauensabstimmung in der kleineren der beiden Parlamentskammern anberaumt.
Gewinnt Draghi diese, muss er sich außerdem das Vertrauen in der größeren Abgeordnetenkammer aussprechen lassen. Die Sitzung dort ist für Donnerstag angesetzt, auch dort wird es dann eine Abstimmung geben.
Draghi musste sich wegen der Regierungskrise zur aktuellen Lage äußern. Staatschef Sergio Mattarella hatte seinen Rücktritt am vergangenen Donnerstag abgelehnt. Diesen hatte Draghi eingereicht, weil ihm die mitregierende 5-Sterne-Bewegung im Senat bei einer Abstimmung nicht das Vertrauen aussprach. Dieser Akt sei eine klare politische Geste, erklärte Draghi nun in seiner mit Spannung erwarteten Rede.
Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati unterbrach die Sitzung nach Draghis Rede. Anschließend wollten die Senatoren mit einer fünfstündigen Generaldebatte weitermachen. Danach wurde für den späten Nachmittag Draghis Replik und am Abend der Aufruf zur Vertrauensabstimmung erwartet.
Draghi geht auf Sterne-Bewegung zu
Draghi erläuterte in seiner Rede die bislang erreichten Ziele seiner Regierung, die seit Februar 2021 im Amt ist und geschaffen wurde, um das Land aus der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Krise herauszuholen. "Ich war noch nie so stolz, Italiener zu sein", sagte der 74-Jährige.
Er forderte jedoch: "Es braucht einen neuen Pakt des Vertrauens, der aufrichtig und korrekt ist, wie jener, der es uns bislang erlaubt hat, das Land zum Besseren zu verändern". Zum Ende seiner energisch geführten Rede fragte er die Senatoren: "Seid ihr bereit, den Vertrauenspakt wiederherzustellen?" Er äußerte scharfe Kritik an den politischen Parteien. Italien brauche nicht nur ein "Scheinvertrauen" in die Regierung.
Der Vorsitzende der 5-Sterne-Bewegung und frühere Regierungschef Giuseppe Conte hatte im Vorfeld verlangt, dass die Prioritäten seiner Partei - insbesondere ein landesweit gültiger Mindestlohn - berücksichtigt werden. Draghi ging in seiner Rede direkt auf diese Forderung ein. Er sagte, die Regierung müsse sich "in diese Richtung bewegen, gemeinsam mit den Sozialpartnern". Laut Umfragen steht die Mehrheit der Italiener weiterhin hinter Draghi.
Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP