Politik

Appell an Republikaner Obama ringt um "Obamacare"

Barack Obama drängt darauf, "Obamacare" zu erhalten.

Barack Obama drängt darauf, "Obamacare" zu erhalten.

(Foto: picture alliance / Luca Bruno/AP)

Seit Donald Trump Präsident der USA ist, meldet sich Barack Obama selten zur aktuellen Politik zu Wort. Jetzt macht er eine Ausnahme: In einem Facebook-Post verteidigt der Ex-Präsident leidenschaftlich seine Gesundheitsreform, die sein Nachfolger abwickeln möchte.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat die nach ihm benannte Gesundheitsreform verteidigt, die der von den regierenden Republikanern dominierte US-Kongress abschaffen will. In einem langen und emotionalen Beitrag auf Facebook rief Obama den Senat eindringlich zum Kompromiss auf. Es gehe um das Leben von Menschen, das Thema sei größer als Parteipolitik.

Diese Äußerung zu "Obamacare" ist eine nach dem Ende seiner Amtszeit selten deutliche, offene Einlassung des früheren Präsidenten. Obama schreibt, die Reform sei sicher nicht perfekt gewesen. Er wolle weiter jede Verbesserung unterstützen, die sich am Wohle mehr zu versichernder Menschen und an geringeren Kosten orientiere. Er verweist auf die breite Phalanx an Kritikern an dem Gesetzentwurf. Er habe Schwierigkeiten zu verstehen, warum das amerikanische Volk unter dem geplanten Rückbau in der Gesundheitspolitik leiden solle, während Milliardäre und Firmen im Gegenzug massive Steuererleichterungen erhalten sollten, schreibt Obama.

Der Dauerstreit über eine Reform der Gesundheitspolitik in den USA ging in die nächste Runde. Die Republikaner stellten nach wochenlanger Arbeit im Geheimen ihren Entwurf vor. Allerdings haben sie weiter Probleme, die eigenen Reihen zu schließen. Noch am gleichen Tag meldeten sich vier Senatoren der Partei zu Wort, die nicht zustimmen wollen.

Seit Jahren ist die Gesundheitspolitik in den USA schwer umstritten. Große Teile der Konservativen verurteilen "Obamacare" als Werk von Sozialisten. Abschaffung des Gesetzes war im Wahlkampf zentrales Versprechen Donald Trumps. Moderate verweisen auf die Errungenschaften.

Obamas Appell auf Deutsch

Die Gräben in unserer Politik sind tief. So ist es seit langer Zeit. Und obwohl ich weiß, dass diese Gräben es schwer machen, Amerikanern zuzuhören, die anderer Meinung sind als wir, ist es genau das, was wir heute tun müssen.

Ich sehe ein, dass es ein Kern-Grundsatz der Republikanischen Partei geworden ist, die gegenwärtige Krankenversicherung (Affordable Care Act) abzuschaffen und zu ersetzen. Dennoch hoffe ich, dass unsere Senatoren, von denen ich viele gut kenne, einen Schritt zurücktreten und sich darüber klar werden, was auf dem Spiel steht und dass der Grund, etwas zu unternehmen, bei der Krankenversicherung wie jedem anderen Thema, etwas gewichtiger sein muss als einfach nur etwas rückgängig zu machen, was die Demokraten eingeführt haben.

Wir haben nicht ein Jahr lang für den Affordable Care Act gekämpft, um persönliche oder politische Gewinne herauszuschlagen – wir haben dafür gekämpft, weil wir wussten, dass er Leben retten, finanzielles Elend verhindern und schließlich unser geliebtes Land auf einen besseren, gesünderen Kurs bringen würde.

Wir haben auch nicht alleine dafür gekämpft. Tausende und Abertausende Amerikaner, Republikaner eingeschlossen, haben mitgemacht, nicht aus politischen, sondern aus ganz persönlichen Gründen – ein krankes Kind, ein an Krebs gestorbenes Elternteil, die Erinnerung an Gesetzentwürfe zur Krankenversorgung, die drohten, ihre Träume scheitern zu lassen.

Und Sie haben den Unterschied gemacht. Zum ersten Mal genießen 90 Prozent der Amerikaner die Sicherheit einer Krankenversicherung. Die Kosten dafür steigen zwar, dafür aber so langsam wie noch nie in den vergangenen 50 Jahren. Es ist verboten, von Frauen höhere Beiträge zu nehmen, junge Erwachsene können bis zum 26. Lebensjahr über die Eltern mitversichert bleiben, Verhütung und Vorsorge ist nun kostenlos. Höhere Beiträge oder gar die Verweigerung einer Versicherung wegen einer vorherigen Erkrankung – das haben wir zu einem Ding der Vergangenheit gemacht.

Wir haben das zusammen geschafft. So viele von Ihnen haben diesen Wandel möglich gemacht.

Gleichzeitig habe ich immer eingeräumt, dass der Affordable Care Act zwar ein bedeutender Schritt nach vorn für Amerika, aber nicht perfekt ist und auch nicht das Ende unserer Anstrengungen sein kann – und das ich gern und öffentlich ein neues Gesetz der Republikaner unterstützen würde, wenn es nachvollziehbar besser ist als die Verbesserungen, die wir in unser Gesundheitssystem eingebracht haben, wenn es mehr Leuten eine Versicherung zu geringeren Kosten bringt.

Das ist auch weiterhin so. Ich hoffe immer noch, dass es genug Republikaner im Kongress gibt, die sich daran erinnern, dass es im Dienst an der Öffentlichkeit nicht um Sport geht oder darum, sich politische Gewinne gutzuschreiben, sondern dass es einen Grund gibt, warum wir alle uns entschieden haben, zu dienen, und das ist hoffentlich, das Leben der Menschen besser und nicht schlechter zu machen.

Aber jetzt, nach acht Jahren, würde diese ohne öffentliche Anhörung und Debatte durchs Haus gejagte Gesetzgebung das Gegenteil erreichen. Sie würde die Kosten erhöhen, die Leistungen reduzieren, Schutzmaßnahmen zurücknehmen und die medizinischen Beihilfen für Bedürftige (Medicaid) wie wir sie kennen, ruinieren. Das ist nicht meine Meinung, sondern die Schlussfolgerung aus allen objektiven Analysen, vom überparteilichen Haushaltsbüro des Kongresses, das berechnet hat, dass 23 Millionen US-Amerikaner ihre Versicherung verlieren würden, bis hin zu Ärzten, Krankenschwestern und Krankenhäusern an der Frontlinie unseres Gesundheitssystems.

Der Gesetzentwurf für den Senat, der heute vorgestellt wurde, ist keine Reform der Krankenversicherung. Es ist ein massiver Transfer von Reichtum vom Mittelstand und von armen Familien zu den reichsten Leuten in den USA. Es gewährt den Reichen, der Pharma- und der Versicherungsindustrie riesige Steuersenkungen und bezahlt das, indem die Krankenversicherung für alle anderen beschnitten wird. Diejenigen mit privater Krankenversicherung werden höhere Beiträge und Selbstbehalte bekommen, arbeitende Familien werden weniger Beiträge von der Steuer absetzen können, selbst wenn ihre Versicherungen nicht mehr für Schwangerschaften, psychische Behandlungen oder teure Verschreibungen aufkommen. Diskriminierung wegen Vorerkrankungen könnte wieder die Norm werden. Millionen Familien werden ihren Schutz ganz verlieren.

Einfach gesagt: wenn Sie krank werden, alt werden oder eine Familie gründen, wird Ihnen dieses Gesetz schaden. Und kleine Verbesserungen in den nächsten zwei Wochen, unter dem Vorwand, dieses Gesetz verdaulicher zu machen, können nichts an der fundamentalen Armseligkeit des Kerns dieser Gesetzgebung ändern.

Ich hoffe, unsere Senatoren fragen sich: Was wird mit drogensüchtigen Amerikanern passieren, die plötzlich ihren Schutz verlieren? Was wird mit schwangeren Müttern, behinderten Kindern, armen Erwachsenen und Senioren, die langfristige Versorgung benötigen, wenn sie sich erstmal nicht mehr auf Medicaid zählen können? Was wird passieren, wenn Sie einen medizinischen Notfall haben, wenn Krankenversicherungen wieder benötigte Leistungen ausschließen dürfen, Ihnen unbegrenzte Rechnungen schicken oder nicht leistbare Selbstbehalte festlegen? Welche unmöglichen Entscheidungen werden arbeitenden Eltern aufgezwungen werden, wenn die Behandlungskosten ihres krebskranken Kindes höher sind als ihre gesamten Lebensersparnisse?

Amerikaner solchen Schmerz zuzumuten, während wir Milliardären und Konzernen massive Steuersenkungen gewähren, das ist nicht nachvollziehbar. Aber das steht gerade auf dem Spiel. Ich hoffe inständig, dass wir uns besinnen und versuchen, das zu erreichen, was das amerikanische Volk braucht.

Es mag sein, dass das Zeit braucht und Kompromisse zwischen Demokraten und Republikanern notwendig sind. Aber ich glaube, das ist es, was die Leute sehen wollen. Ich glaube, es wäre die Art von Führung, die die Amerikaner über alle Parteigrenzen hinweg anspricht. Und ich glaube, dass das möglich ist – wenn Sie willens sind, wieder den Unterschied zu machen. Wenn Sie willens sind, Ihren Kongressabgeordneten anzurufen. Wenn Sie willens sind, ihre Büros zu besuchen. Wenn Sie willens sind, sich Gehör zu verschaffen, sie und das Land wissen lassen, in ganz klaren Worten, was dies für Sie und Ihre Familie bedeuten würde.

In dieser Debatte ging es immer um mehr als Politik. Es geht um den Charakter unseres Landes – wer wir sind, wer wir sein wollen. Und das ist immer etwas, wofür es wert ist, zu kämpfen.

(übersetzt von Volker Petersen)

Quelle: ntv.de, dsi/dpa

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