"Ganze Stadtteile verschwunden" Palästinenser strömen zurück in ihre Heimatorte
10.10.2025, 16:28 Uhr Artikel anhören
Eine Kolonne bewegt sich an der Küste in Richtung Gaza-Stadt.
(Foto: IMAGO/UPI Photo)
Viele Palästinenser sind wegen des Krieges aus Gaza-Stadt und Umgebung in Richtung Süden geflüchtet. Nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes kehren die Menschen zurück zu ihren Häusern - oder dem, was davon noch übrig ist. Ob sie dauerhaft in Frieden leben werden, bleibt ungewiss.
Nach Inkrafttreten einer Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas sind Tausende vertriebene Palästinenser in ihre verlassenen Heimatorte zurückgeströmt. Eine riesige Menschenkolonne bewegte sich durch Schutt und Staub nach Norden in Richtung Gaza-Stadt, nachdem die israelische Armee mit dem Rückzug aus Teilen des Küstenstreifens begonnen hatte.
Die Freude über das Ende der Kämpfe war jedoch von dem Ausmaß der Zerstörung nach zwei Jahren Krieg überschattet. "Gott sei Dank steht mein Haus noch", sagte der 40-jährige Ismail Sajda. "Aber der Ort ist zerstört, die Häuser meiner Nachbarn sind zerstört, ganze Stadtteile sind verschwunden."
Um 12 Uhr hätten "die israelischen Streitkräfte die erste Phase des Rückzugs" beendet, erklärte der US-Sondergesandte Steve Witkoff am Freitag unter Berufung auf das US-Regionalkommando im Nahen Osten im Onlinedienst X. Damit habe "die 72-Stunden-Frist zur Freilassung der Geiseln begonnen".
Die erste Phase der von US-Präsident Donald Trump vermittelten Initiative sieht vor, dass die israelischen Truppen sich aus den großen städtischen Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, aber weiterhin etwa die Hälfte des Küstengebiets kontrollieren. Das israelische Militär rief die Bewohner auf, die von der Armee kontrollierten Gebiete zu meiden. "Halten Sie sich an die Vereinbarung und sorgen Sie für Ihre Sicherheit", sagte ein Militärsprecher.
Zudem erklärte das israelische Militär, die Hamas sei nicht mehr die starke militante Gruppe, deren Überfall auf Israel den zweijährigen Krieg ausgelöst habe. "Die Hamas ist an jedem Ort besiegt worden, an dem wir gegen sie gekämpft haben", sagte Militärsprecher Effie Defrin.
Ringen um langfristigen Frieden
Dem Abkommen zufolge soll die Hamas innerhalb von 72 Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe die 20 noch lebenden israelischen Geiseln freilassen. Danach will Israel 250 Palästinenser, die lange Haftstrafen verbüßen, sowie 1700 weitere, die während des Krieges festgenommen wurden, freilassen.
Trotz der Waffenruhe bleiben die Positionen der Konfliktparteien verhärtet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, die israelischen Truppen würden im Gazastreifen bleiben, um sicherzustellen, dass das Gebiet entmilitarisiert und die Hamas entwaffnet werde. Der im Exil lebende Hamas-Chef für den Gazastreifen, Chalil al-Haja, erklärte hingegen, er habe von den USA und anderen Vermittlern Garantien erhalten, dass der Krieg vorbei sei. Bislang weigert sich die militante Palästinenser-Organisation, ihre Waffen abzugeben.
Es bleiben erhebliche Hürden für einen dauerhaften Frieden. Beide Seiten müssen sich noch auf die Liste der freizulassenden palästinensischen Gefangenen einigen. Auch die künftige Verwaltung des Gazastreifens und das endgültige Schicksal der Hamas sind ungeklärt. Israel wie auch die USA haben mehrfach betont, dass die Organisation bei der Gestaltung der Zukunft des Gazastreifens keine Rolle spielen werde.
Quelle: ntv.de, rog/rts