Politik

Juppé: Diskussionsgrundlage Paris fasst Völkermord-Bericht positiv auf

Bis heute Gedenken Menschen in Ruanda dem Völkermord von vor mehr als 25 Jahren.

Bis heute Gedenken Menschen in Ruanda dem Völkermord von vor mehr als 25 Jahren.

(Foto: picture alliance/dpa)

1994 kommen in Ruanda bei dem Völkermord an den Tutsi mindestens 800.000 Menschen ums Leben - in Anwesenheit französischer Truppen. Eine Historikerkommission wirft dem Land nun "Blindheit" und "Versagen" vor. Von anderen Vorwürfen spricht der Bericht Frankreich aber frei.

Der Bericht über Frankreichs politische Mitverantwortung an dem Völkermord in Ruanda 1994 stößt auf ein überwiegend positives Echo. Der Bericht "bringt die Wahrheit voran" und entlaste Paris vom Vorwurf der Mittäterschaft, erklärte der damalige französische Außenminister Alain Juppé am Samstag. Die ruandische Regierung begrüßte die Veröffentlichung als "wichtigen Schritt zu einem gemeinsamen Verständnis der Rolle Frankreichs beim Völkermord an den Tutsi".

Eine Historikerkommission hatte in ihrem am Freitag veröffentlichten Bericht Frankreich eine politische Mitverantwortung an dem Völkermord in Ruanda zugewiesen. Sie warf Frankreich "Blindheit" und "Versagen" vor, weil es den Genozid von 1994 nicht verhindert habe. Eine "Mittäterschaft" bei den Tötungen lasse sich dagegen nicht nachweisen.

Juppé erklärte zwar, der Bericht enthalte "enorm viel, teils heftige Kritik, die gerechtfertigt sein kann". Er weise jedoch auch auf "Fehleinschätzungen, Versäumnisse und Fehler" hin und sei eine "Diskussionsgrundlage". Als wichtigste Erkenntnis bezeichnete Juppé es, dass Frankreich "vom Vorwurf der Mittäterschaft an der Vorbereitung und Durchführung des Völkermordes an den Tutsi vollkommen entlastet" worden sei. Juppé war von 1993 bis 1995 unter Präsident François Mitterrand Außenminister. Er war der Erste, der im Mai 1994 die Vorfälle in Ruanda als Völkermord bezeichnete.

"Rassistische, korrupte und gewalttätige Regime" unterstützt

Auch der damalige führende Präsidialbeamte und spätere Außenminister Hubert Védrine lobte die "Ehrlichkeit" des Berichts, mit der "jegliche Mittäterschaft Frankreichs" ausgeschlossen werde. Der französische Politiker war in den vergangenen Jahren selbst wegen Frankreichs Umgang mit dem Völkermord kritisiert worden.

Die "viele harsche Kritik", insbesondere am damaligen Präsidenten Mitterrand, bedauerte Védrine am Freitag hingegen. So verteidigte er etwa die in dem Bericht kritisierten Beziehungen Mitterrands zum ruandischen Staatschef Juvénal Habyarimana: "Er kannte die afrikanischen Staats- und Regierungschefs gut, nicht mehr als jeder andere." Viele Länder hätten damals "normale Beziehungen" zu den Hutu-Machthabern gehabt.

Die Historiker verwiesen in ihrem Bericht darauf, dass der 1996 verstorbene Mitterrand enge persönliche Beziehungen zu Habyarimana unterhielt und diesen mehrfach in Paris empfing. Unter Mitterrand habe Frankreich "bedingungslos" das "rassistische, korrupte und gewalttätige Regime" Habyarimanas unterstützt, hieß es in der Untersuchung.

Hoffnung auf neue Annäherung

Die ruandische Regierung begrüßte den Bericht am Freitag in einer knappen Stellungnahme und kündigte die Veröffentlichung eines eigenen Untersuchungsberichts in den kommenden Wochen an. Der Elysée-Palast äußerte nach der Übergabe des Berichts am Freitagabend die Hoffnung, dass "dieses Mal der Annäherungsprozess unumkehrbar eingeleitet werden kann". Auch die Rückkehr eines französischen Botschafters nach Kigali "in den kommenden Monaten" wäre ein "weiterer Schritt" zur Normalisierung. Der Botschafterposten in Ruanda ist seit 2015 vakant.

Macron hatte die Historikergruppe unter Leitung des Forschers Vincent Duclert vor zwei Jahren mit den Untersuchungen beauftragt. Dem Bericht zufolge trägt Frankreich eine "schwere und erdrückende Verantwortung" dafür, dass ruandische Verantwortliche den Genozid verüben konnten. In der früheren deutschen und belgischen Kolonie Ruanda hatten Angehörige von Habyarimanas Volksgruppe der Hutu 1994 binnen drei Monaten mindestens 800.000 Menschen getötet.

Die meisten Opfer waren Angehörige der Minderheit der Tutsi, aber auch viele gemäßigte Hutu wurden getötet. Die französische Armee war 1994 mit einem UN-Mandat in der Region. Ruanda wirft Frankreich bereits seit Jahren vor, sich durch seine Rückendeckung für die damalige Regierung an dem Völkermord mitschuldig gemacht zu haben.

Quelle: ntv.de, jru/AFP

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