Keine Chance die Stadt zu halten Pokrowsk kann Russlands Trophäe werden
05.11.2025, 20:01 Uhr Artikel anhören
Bis zur letzten Minute verteidigt die ukrainische Armee die Donbass-Stadt Pokrowsk gegen die Russen. Nun können die Invasoren wohl den Erfolg verbuchen, der ihnen im Sommer noch verwehrt blieb. Oberst Reisner erklärt, weshalb die lange Verteidigung der Stadt der Ukraine geholfen hat.
Unter gewaltigen Verlusten an Personal und Waffen läuft die russische Armee seit Monaten Sturm auf das ukrainische Pokrowsk. In den Augen des österreichischen Militärexperten Oberst Markus Reisner ist die strategisch wichtige Stadt faktisch "verloren". Die ukrainische Armee versuche nur noch, die Verluste zu minimieren.
Für die Ukraine geht es laut Reisners Analyse in Pokrowsk nur noch darum, möglichst viele eigene Soldaten aus einem Kessel zu befreien. "Man sieht, dass die Situation sich in den letzten Wochen zugespitzt hat. Man kann davon ausgehen, dass Pokrowsk gefallen ist", sagt er im Gespräch mit ntv. Sowohl im Süden als auch im Norden der Stadt seien die russischen Kräfte zusammengetroffen, so dass eine "operative Einschließung" entstanden sei, analysiert der Militärexperte. Das bedeute, "dass die Stadt als solches verloren ist".
Auf ukrainischer Seite habe man sich allerdings noch nicht dazu durchgerungen, dies auch zuzugeben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj widersprach auch heute den russischen Erfolgsmeldungen. Noch am Wochenende hatte Kiews Armee per Hubschrauber ein Spezialkommando in der der Donbass-Stadt abgesetzt.
Sie sollte unbedingt gehalten werden, um zum einen den Russen nicht den Triumph einer Einnahme zu ermöglichen. Bislang blieb Russlands Sommeroffensive ohne einen großen Erfolg, den der Kreml hätte ausschlachten können. Man kam zwar stetig aber immer nur um wenige Kilometer vorwärts. Die Eroberung Pokrowsk könnte Moskaus Machthaber Wladimir Putin nun die Erfolgsmeldung liefern, auf die man gewartet hat. Allerdings zunächst ohne heroische Bilder. Noch werden die russischen Soldaten in der Stadt permanent von ukrainischen Drohnen bedroht und verfolgt.
Es ging darum, Zeit zu gewinnen
Ein Ziel der ukrainischen Verteidiger war es, die russischen Invasoren möglichst lange in Pokrowsk zu halten, um Zeit zu gewinnen. Die Ukrainer bauen seit Monaten in der Tiefe hinter der umkämpften Stadt an einer neuen Verteidigungslinie, die jedoch noch nicht so abwehrstark ist, wie die bisherigen Linien unmittelbar an der Front. Jeder Tag, den die ukrainischen Verteidiger die Russen noch in Pokrowsk banden, gewährte etwas mehr Puffer für die Baumaßnahmen weiter westlich.
Zudem bezahlte Russland einen hohen Preis für diesen Erfolg. "Die Verluste, die man den Russen beigebracht hat, sind sehr, sehr hoch gewesen", sagt der Oberst. "Und darum hat es Sinn gemacht, die Stadt so lange zu halten."
Für die Ukraine gehe es jetzt vor allem darum, "all jene Kräfte herauszubekommen, die sich in einem Kessel ostwärts von der Stadt befinden". Das Ziel sei, "die maximale Anzahl an Soldaten zu retten", so Reisner. Gelingt dies nicht, könnten die Russen Hunderte oder Tausende Soldaten gefangen nehmen.
Eine komplette Kontrolle von Pokrowsk durch die Russen sieht Reisner nicht. Sobald sich aber ein ukrainischer Soldat zeige, werde er von Drohnen angegriffen. "Wir haben eine Situation, wo circa 70 Prozent der Stadt selbst bereits im Besitz der Russen sind." Die Ukraine sei im "Überlebensmodus", so Reisner. Er erwartet einen besonders harten Winter, denn die Russen sind zwar langsam aber stetig auf dem Vormarsch.
Quelle: ntv.de, fni/dbl