Politiker posten Tanz-Videos Sanna Marin bekommt Unterstützung nach Party-Kritik
23.08.2022, 09:13 Uhr
Nachdem Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin für private Party-Videos in die Kritik geraten ist, erfährt sie nun eine Welle der Solidarität: Etliche Menschen haben in den sozialen Netzwerken private Tanz-Videos gepostet, um Marin zu verteidigen. Unter ihnen sind auch deutsche Politiker.
Von der finnischen Regierungschefin Sanna Marin sind zwei Videos veröffentlicht worden, die sie privat beim Feiern zeigen. Dafür musste die 36-Jährige viel Kritik einstecken und sogar einen Drogentest machen. Nun bekommt sie im Netz Unterstützung: Unter dem Hashtag #SolidaritywithSanna posten etliche Nutzer aus verschiedenen Ländern Videos, die sie selbst beim ausgelassenen Tanzen und Feiern zeigen.
Auch aus Deutschland kommt Unterstützung: Die Grünen-Politikerin Hanna Neumann veröffentlichte ein Video, das sie auf einem Grünen-Bundesparteitag beim Tanzen zeigt. Auf einer Galerie stehen vier Frauen, die zur Musik wippend die Arme schwingen. Dazu schreibt die Europaabgeordnete: "Brave Mädchen kommen in den Himmel, rockende überall hin". Das Video soll Solidarität und Liebe an Sanna Marin demonstrieren. "Für alle, die es nicht erkennen können", erklärt sie, wer neben ihr auf der Galerie steht: die heutige Außenministerin Annalena Baerbock, Franziska Brantner, inzwischen parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, und Luise Amtsberg, heute Menschenrechtsbeauftragte.
Ein weiteres Video veröffentlicht Stefan Seidler, der für den Südschleswigschen Wählerverband im Bundestag sitzt. "Bevor es jemand #leaked, hier kommt meins. Wilma und ich hatten nur Bier und Korn," schreibt Seidler zu einem Video, das zeigt, wie er mit einer Frau gemeinsam das Tanzbein schwingt. In einem Kommentar darunter bemerkt er: "Ist aber schon merkwürdig, dass sofort, nachdem Sanna Marin ein EU-Visum-Stopp für Russen fordert, dass dann privat Videos von ihr auftauchen." Auch finnische Medien würden sich die Frage stellen, wer daran ein Interesse haben könnte.
Doch nur weil etliche Staats- und Regierungschefs keine Videos von sich beim Tanzen posten, heißt das nicht, dass diese nicht existieren. Das beweist ein Twitter-Thread, der Politiker wie den kanadischen Premierminister Justin Trudeau oder den britischen Premierminister Boris Johnson bei rhythmischen Bewegungen zeigen.
Ein weit verbreitetes Video des dänischen Frauenmagazins "Alt for Damerne" zeigt auf Instagram einen Zusammenschnitt mit privaten Videos von Mitarbeiterinnen, Frauen jeden Alters, die teilweise mit alkoholischem Getränk in der Hand beim Feiern und Tanzen Spaß haben. Dazu schreiben sie: "Nein, du wirst kein schlechterer Premierminister, Direktor, Schullehrer .... fügen Sie Ihren eigenen Job ein .. sein, wenn du dieses Wochenende auf der Tanzfläche bist."
Internationale Presse moniert Doppel-Moral
Zeitungen in anderen Ländern widmeten sich ebenfalls der Kritik an Finnlands Regierungschefin. Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" schreibt: "Wie kommt es, dass Männer die Regeln brechen dürfen, und wir befassen uns mit einer jungen Regierungschefin, die nichts getan hat, das man verurteilen könnte?" Die jetzige Affäre zeige die doppelten Standards, urteilt die Zeitung. Männer dürften das von der eigenen Regierung verhängte Recht brechen und im Lockdown Toasts aussprechen, so wie Boris Johnson. "Im Falle von Sanna Marin dreht sich die Kontroverse um die Teilnahme an einer Party. Denn im Patriarchat ist eine Frau, die über sich selbst bestimmt, immer verdächtig", schreibt "Gazeta Wyborcza".
"Das Aufsehen, das diese Aufnahmen erregen, sagt viel aus", meint die liberale Zeitung "Hospodarske noviny" aus Tschechien. Es sage mehr über die heutige Gesellschaft als über Sanna Marin selbst. "Es zeigt sich, dass wir alle viel konservativer sind, als wir uns selbst eingestehen. Die Vorstellung, dass sich für Spitzenpolitiker bestimmte Verhaltensweisen nicht ziemen, ist tief verwurzelt." Doch erst, wenn die Gesellschaft aufhöre, unmenschliche Anforderungen an ihr Führungspersonal zu stellen, wird sie wirklich demokratisch sein, schreibt die Zeitung.
Marin selbst verteidigte sich nach der Veröffentlichung der Videos selbst in diese Richtung: "Ich möchte zeigen, dass es gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Leben sind, die Jobs wie diesen machen", sagte sie. "Ich habe keine Drogen genommen und nichts außer Alkohol konsumiert. Ich habe getanzt, gesungen und Party gemacht - komplett legale Dinge."
Quelle: ntv.de, mit dpa