Politik

Britischer Aktivist festgehalten Polizei beendet ersten LGBT+-Protest in Katar überhaupt

Peter Tatchell demonstrierte vor dem nationalen Katar-Museum in Doha.

Peter Tatchell demonstrierte vor dem nationalen Katar-Museum in Doha.

(Foto: https://twitter.com/PeterTatchell)

Das gab es noch nie: Der LGBT+-Aktivist Peter Tatchell hält mitten in der Hauptstadt Katars einen Ein-Mann-Protest gegen Queerfeindlichkeit seitens des Emirats ab. Die Polizei schreitet schnell ein, lässt aber wohl Milde walten. Der Zeitpunkt der Aktion hätte nicht kritischer sein können.

Die katarische Polizei hat einen Ein-Mann-Protest des bekannten britischen LGBT+-Aktivisten Peter Tatchell vor dem Nationalmuseum des arabischen Golfstaates beendet. In weniger als einem Monat (20. November bis 18. Dezember) findet in dem Emirat die Fußballweltmeisterschaft statt, die erste in einem arabischen Land. Tatchell, der im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland einen ähnlichen Protest organisiert hatte, stand mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "#Qatarantigay" und einem Plakat mit der Aufschrift "Katar verhaftet, inhaftiert und unterwirft LGBTs der Konversion" an einer Straßenecke.

Nach 35 Minuten kreuzten die Polizei und Einheiten der Staatssicherheit auf. Wie im Internet kursierende Videos belegen, falteten die Beamten das Plakat des Aktivisten zusammen. Anschließend, so Medienberichte, sollen sie Tatchell vor Ort eine knappe Stunde festgehalten, befragt und seinen Reisepass und andere Papiere sowie die eines Mannes, der ihn begleitete, fotografiert haben. Daraufhin wurde der 70-Jährige ohne Anklageerhebung freigelassen.

Der Protest für LGBT+-Rechte ist der erste öffentliche dieser Art in Katar überhaupt, wohl auch in der gesamten Golf-Region. Tatchell berichtete auf Twitter, nach der Unterbrechung seiner Aktion auf dem Gehweg in Katars Hauptstadt Doha exakt 49 Minuten von neun Polizisten bewacht worden zu sein. In dem Zeitraum hätten die Beamten Fotos und Videos vom mitgeführten Handy eines Kollegen gelöscht. Anschließend hätte die Polizei dem Aktivisten mitgeteilt, er müsse zum Flughafen und das Land verlassen. In Katar ist Homosexualität verboten.

"Teuflische Menschenrechtsverletzungen"

Katars Regierung widersprach hingegen und berichtete von einer "in einem Kreisverkehr stehenden Person" als Auslöser für den Einsatz der Polizisten. Die Person sei "herzlich und professionell" gebeten worden, den Bürgersteig zu benutzen. Die Regierung zeigte sich "extrem enttäuscht über grundlose Vorwürfe, die ohne entsprechende Faktenlage von Medienunternehmen verbreitet" würden. Keine Verhaftungen seien vorgenommen worden.

In einem Video-Interview mit dem von zwei US-Journalisten geführten Blog "Doha News" erklärte Tatchell, kurz nachdem er festgehalten wurde, dass die Beamten "höflich" gewesen sein und er dafür dankbar sei. Der Aktivist bekräftigte außerdem, dass er "verhaftet", aber nicht vom Ort des Protests weggeführt worden sei. "Ich war sehr, sehr nervös", sagte Tatchell über seine Ein-Mann-Demo, weil er befürchtete, "vielleicht sogar körperlich misshandelt zu werden. Aber die Beamten haben nichts von alledem getan." Als Antwort auf die Äußerungen der Regierung schrieb Tatchell auf Twitter: "Es ist eine Schande, dass die katarische Regierung versucht, die Aufmerksamkeit von ihren teuflischen Menschenrechtsverletzungen abzulenken, indem sie einen friedlichen Demonstranten falsch darstellt."

In einem Video auf dem eigenen Twitterkanal nannte Tatchell den Grund für seine Demonstration: "Mit diesem Protest sollte auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar", besonders die Queerfeindlichkeit, aufmerksam gemacht werden. Er habe aber auch versucht, "die Aufmerksamkeit auf die Verletzung der Rechte von Frauen und Wanderarbeitern zu lenken" und zeige sich solidarisch "mit den mutigen katarischen Menschenrechtsverteidigern, die ihren Standpunkt nicht äußern können, weil sie Verhaftung, Gefängnis und möglicherweise sogar Folter fürchten".

"Ohne Rückendeckung der örtlichen Gemeinschaft"

In Artikel 285 des Strafgesetzbuches des Landes heißt es zu gleichgeschlechtlichen Handlungen: "Wer ohne Zwang, Nötigung oder List mit einem über 16-jährigen Mann schläft, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren bestraft." Nach islamischem Recht sind sogar Auspeitschen und die Verhängung der Todesstrafe möglich.

Im Internet regte sich aber auch Widerstand gegen den Protest des britischen Aktivisten von Seiten westlicher Unterstützer von LGBT+-Rechten. Der australisch-arabische und homosexuelle Autor Elias Jahshan etwa warf Tatchell auf Twitter vor, dass der Aktivist zuvor in einer Signal-Chatgruppe erklärt habe, "diesen Stunt, den Sie gerade in Katar abgezogen haben", nicht durchführen zu wollen. "Ich kenne viele queere Katarer, die gerne wissen würden, warum Sie nicht zugehört haben", so Jahshan. Proteste "ohne Rückendeckung der örtlichen Gemeinschaft" würden immer "mehr Schaden anzurichten als Gutes zu tun", schreibt der Autor weiter.

Tatchells Demonstration erfolgte ausgerechnet am selben Tag der Wutrede von Katars Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani über eine vermeintlich "beispiellose Kampagne" gegen die Gastgeber. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte wiederum erst am Montag erneut schwere Vorwürfe gegen das Emirat Katar erhoben. HRW wirft der Polizei in dem Golfstaat vor, queere Menschen festzunehmen und zu misshandeln. Zwischen 2019 und 2022 dokumentiert die Organisation sechs Fälle von schweren und wiederholten Schlägen und fünf Fälle von sexueller Belästigung in Polizeigewahrsam. Der letzte Fall soll sich sogar erst im September ereignet haben. Die katarische Regierung wies auch diese Vorwürfe zurück.

Quelle: ntv.de

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