Gewalt gegen Nawalny-Anhänger Polizei nimmt 5000 Demonstranten fest
31.01.2021, 18:49 Uhr
Die Polizei nahm Tausende Menschen fest, hier in St. Petersburg.
(Foto: imago images/ITAR-TASS)
Am zweiten Wochenende in Folge gehen russlandweit Menschen auf die Straße. Die Polizei stoppt sie - nach Angaben von Menschenrechtlern mit massiver Gewalt. Tausende Personen werden festgenommen. Aus dem Ausland gibt es scharfe Kritik an dem Vorgehen.
Bei erneuten Massenprotesten in Russland gegen die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny sind Menschenrechtsaktivisten zufolge mehr als 5000 Menschen festgenommen worden. Das sind gut 1000 mehr als bei den Demonstrationen vor einer Woche. Allein in der Hauptstadt Moskau wurden dem Portal Owd-Info zufolge weit mehr als 1500 Demonstranten festgesetzt. Mehr als 860 Festnahmen listete das Portal für St. Petersburg im Norden des Landes auf. In mehr als 50 Städten wurden demnach Festnahmen registriert.
Am Abend kam Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja wieder auf freien Fuß. Sie war zuvor bei den Protesten in Moskau festgenommen worden und über Stunden in Polizeigewahrsam. Medienberichten zufolge soll sie an diesem Montag vor Gericht, weil sie an den nicht genehmigten Aktionen teilgenommen hatte. Ihr droht demnach eine mehrtägige Haftstrafe.
Menschenrechtler kritisierten erneut die massive Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten. In Moskau und St. Petersburg setzten die Sicherheitskräfte demnach Elektroschocker ein. Zudem seien in der Hauptstadt 31 Menschen in einem viel zu engen Gefangentransporter eingesperrt worden. In Kasan, etwa 700 Kilometer östlich von Moskau, hätten festgenommene Studenten ihre Unterwäsche ausziehen und Handys sowie ihre Habseligkeiten abgeben müssen.
Demo auch in Berlin
Ein Zug mit Tausenden Menschen zog zum Moskauer Untersuchungsgefängnis Nummer eins - der im Volksmund so bezeichneten Matrosenstille. Dort sitzt Nawalny in Haft. Die Sicherheitskräfte hatten die Zufahrten zum Gefängnis gesperrt. Der Ort galt als der am stärksten bewachte in Moskau. Die Behörden hatten prominente Vertreter von Nawalnys Team schon im Vorfeld festgenommen. Auch viele Journalisten kamen in Gewahrsam.
Nach Angaben von Nawalnys Team gab es landesweit in rund 100 Städten Aktionen für eine Freilassung des Oppositionellen. Die Menschen protestierten aber auch gegen Korruption, Justizwillkür und die Unterdrückung Andersdenkender unter Präsident Wladimir Putin. Nawalny war vor genau zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland an einem Moskauer Flughafen verhaftet worden, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte. Der 44-Jährige macht Präsident Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Verbrechen verantwortlich. Putin und der FSB wiesen das zurück.
Auch in Berlin protestierten Nawalny-Unterstützer gegen dessen Inhaftierung. Laut Polizei gab es eine kleinere und eine größere Demonstration, Teilnehmerzahlen wurden nicht genannt. In einer Aktion zeigte sich ein Demonstrant als Präsident Wladimir Putin verkleidet hinter Gittern - das war als Forderung gemeint, Putin vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft zu ziehen. Auf Transparenten wurde Freiheit für Nawalny gefordert. Ziel der größeren Demo war die Russische Botschaft Unter den Linden.
US-Außenminister übt scharfe Kritik
Die US-Regierung übte scharfe Kritik am harten Vorgehen der russischen Behörden gegen Demonstranten. "Die USA verurteilen die anhaltende Anwendung brutaler Taktiken gegen friedliche Demonstranten und Journalisten durch die russischen Behörden in der zweiten Woche in Folge", teilte US-Außenminister Antony Blinken auf Twitter mit.
"Wir erneuern unseren Aufruf an Russland, diejenigen freizulassen, die wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind, einschließlich Alexej Nawalny", schrieb der Außenamtschef weiter.
Das russische Außenministerium warf den USA eine Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Die US-Botschaft in Moskau hatte zuvor genaue Treffpunkte und Uhrzeiten von Demonstrationen aufgelistet. Washington fördere nicht genehmigte Proteste und wolle so versuchen, Russland "im Zaum zu halten", schrieb das Ministerium bei Facebook.
Der EU-Außenbeauftragte Borrell kritisierte "Massenverhaftungen" und die "unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt" gegen Demonstranten. Die Menschen müssten in der Lage sein, ohne Angst vor Unterdrückung zu demonstrieren, schrieb er auf Twitter. Auch die tschechische Regierung verurteilte das harte Vorgehen der russischen Behörden. Mit der gewaltsamen Unterdrückung der Opposition und der Redefreiheit verstoße Russland gegen seine eigene Verpflichtung, die Menschenrechte zu achten, teilte Außenminister Tomas Petricek laut Agentur CTK mit. Sein Land werde innerhalb der EU dafür plädieren, gegen bestimmte Verantwortliche Sanktionen zu verhängen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa