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Läuft ein Putsch ab? Präsident im Niger von eigener Garde festgesetzt

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Bazoum bei einem kürzlichen Besuch in Frankfreich.

Bazoum bei einem kürzlichen Besuch in Frankfreich.

(Foto: picture alliance / abaca)

Teile der Präsidentengarde im westafrikanischen Niger setzen in einer ungewöhnlich klingenden Aktion ihren eigenen Chef, den Präsidenten, fest. Dessen Büro schreibt von einem "Wutanfall" innerhalb der Garde. Vermittlungsversuche für eine Freilassung scheinen bislang zu scheitern. Auch Bundeswehrsoldaten sind im Niger.

Im westafrikanischen Niger hat die Präsidentengarde Staatschef Mohamed Bazoum festgesetzt. Verärgerte Mitglieder der Präsidentengarde hätten den Zugang zur Residenz und den Büros des Präsidenten verriegelt und sich nach erfolglosen Verhandlungen "geweigert, den Präsidenten freizulassen", berichtet AFP unter Berufung auf eine Quelle aus dem Umfeld des Präsidenten. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) und die Afrikanische Union (AU) verurteilten einen "Putschversuch". Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten sind laut Bundesverteidigungsministerium in Sicherheit.

"Teile der Präsidentengarde haben einen Wutanfall bekommen (...) und vergeblich versucht, die Streitkräfte und die Nationalgarde auf ihre Seite zu ziehen", teilte das Büro des Präsidenten via Twitter mit.

Die Armee und die Nationalgarde seien bereit, gegen die Präsidentengarde vorzugehen, wenn diese sich nicht wieder beruhige, hieß es weiter in dem Beitrag, der bald darauf gelöscht wurde. Der Staatschef und seine Familie seien wohlauf. Die Armee habe ein Ultimatum gesetzt, hieß es weiter aus dem Umfeld des Präsidenten.

Internationale Forderungen nach Freilassung

Bazoum war auch am Abend nicht auf freien Fuß gesetzt worden, obgleich es einen Vermittlungsversuch dessen Vorgängers Mahamadou Issoufou gegeben habe, gab die Quelle an. Die Forderungen der Präsidentengarde blieben bislang unbekannt.

Im Zentrum der Hauptstadt Niamey versammelten sich nach Angaben von Journalisten einige Dutzend Demonstranten, die dem Staatschef ihre Unterstützung ausdrücken wollten. Vor dem Sitz des staatlichen Fernsehens und den dort hinführenden Straßen waren nach Angaben eines Journalisten der Nachrichtenagentur AFP Soldaten auf mit Maschinengewehren ausgerüsteten Pickup-Trucks zu sehen.

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Bazoums. Die Europäische Union teile diese Einschätzung, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. "Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen."

Auf Twitter warf AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat der Präsidentengarde vor, "in völligem Verrat an ihrer republikanischen Pflicht" zu handeln. Auch Frankreich und UN-Generalsekretär António Guterres verurteilten "jeden Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme". Das Weiße Haus in Washington verlangte, dass Bazoum freigelassen werde.

Bundesverteidigungsministerium: Lage noch unklar

"Wir haben die Rückmeldung, dass unsere Soldaten in Sicherheit sind - das ist uns das Wichtigste", sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Das Auswärtige Amt steht laut einer Sprecherin mit der deutschen Botschaft in Niamey und mit den internationalen Partnern in Kontakt. Eine "fundierte Bewertung der Lage" sei momentan noch schwierig, sagte sie.

Der Bundestag hatte im Mai das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM Niger erteilt. Aktuell sind daran laut Bundesverteidigungsministerium etwa ein Dutzend Bundeswehrsoldaten beteiligt.

Zudem unterhält die Bundeswehr auf dem Flughafen von Niamey seit zehn Jahren ein Logistik-Drehkreuz für den UN-Blauhelmeinsatz im benachbarten Mali. Dafür sind aktuell nach Ministeriumsangaben "um die hundert" deutsche Soldaten vor Ort.

Der Binnenstaat hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich.

Niger liegt im Herzen der Sahelzone in Westafrika und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Das Land hat eine rasch wachsende Bevölkerung von 22,4 Millionen Menschen, was auf eine Geburtenrate von durchschnittlich sieben Kindern pro Frau zurückzuführen ist.

Im UN-Index der menschlichen Entwicklung, der als Wohlstandsindikator gilt, rangiert Niger konstant auf den hinteren Plätzen. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die zur Flucht von Hunderttausenden führte. Der Niger ist einer der letzten Verbündeten des Westens in der Sahelregion. Die Nachbarn Mali und Burkina Faso haben sich anderen Partnern zugewandt, darunter Russland.

Quelle: ntv.de, mpe/AFP

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