Politik

Regime feuert Militärgranaten ab Proteste in Bagdad wie bei Saddams Sturz

Eine Demonstrantin in Bagdad setzt ihr Leben aufs Spiel. Das Regime lässt mit Militärgranaten in die Menge feuern.

Eine Demonstrantin in Bagdad setzt ihr Leben aufs Spiel. Das Regime lässt mit Militärgranaten in die Menge feuern.

(Foto: REUTERS)

Seit dem Ende von Diktator Saddam Hussein hat Bagdad solche Proteste nicht erlebt: Hunderttausende Demonstranten gehen gegen das Regime auf die Straße und werden mit militärischen Tränengas-Granaten beschossen. Iraks Großayatollah sieht das Land dem Abgrund nah.

Im Irak haben erneut Hunderttausende Menschen gegen die Regierung protestiert. Die Massendemonstrationen in Bagdad entwickeln sich zu den größten Aufmärschen seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Saddam Hussein 2003. Auf dem zentralen Tahrir-Platz von Bagdad soll ein Demonstrant von Sicherheitskräften getötet worden sein, nachdem er von einer Schallgranate getroffen wurde. Schallgranaten sollen Menschenmassen auseinandertreiben. Bereits am Donnerstag waren nach Angaben der vom Parlament ernannten Menschenrechtskommission vier Menschen getötet und mindestens 309 verletzt worden.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gingen die Sicherheitskräfte zuletzt mit militärischen Tränengas-Granaten, welche den Schädel durchschlagen können, gegen Demonstranten vor. Dies forcierte eine Tötung und nicht ein Auseinandertreiben der Demonstranten. Die Einsatzkräfte zielten aus nächster Nähe auf Kopf und Körper. In mehreren Fällen seien Geschosse in den Schädel eingedrungen, was zu schwersten Verletzungen oder zum Tod geführt habe. Mindestens fünf Demonstranten seien durch den Einsatz dieser Tränengas-Granaten, die "bis zu zehn Mal stärker als herkömmliche Tränengaskartuschen" seien, getötet worden.

In Online-Netzwerken zirkulierende Videos zeigen junge Männer, aus deren Augen oder Mündern Rauch quillt, nachdem sie offenbar von diesen Tränengas-Granaten getroffen wurden. Amnesty verifizierte nach eigenen Angaben einige der Videos. Die Organisation forderte die Polizei auf, den Einsatz dieser Waffen umgehend einzustellen.

Großayatollah verbittet sich ausländische Einmischung

Das spirituelle Oberhaupt der Schiiten im Irak, Großayatollah Ali al-Sistani, warnte vor einer ausländischen Einmischung bei den regierungskritischen Protesten in seinem Land. "Kein Mensch und keine Gruppe, keine Seite mit speziellen Ansichten, kein regionaler oder internationaler Akteur darf sich des Willens des irakischen Volkes bemächtigen und ihm seinen Willen aufdrängen", sagte al-Sistani in seiner von einem Vertreter verlesenen wöchentlichen Predigt.

Zudem beklagte er die politischen Grabenkämpfe im Inneren. Die Behörden rief er auf, dafür zu sorgen, dass "bewaffnete Truppen nicht friedlichen Demonstranten gegenübergestellt" werden. Der Irak dürfe nicht in den "Abgrund interner Kämpfe" hineingezogen werden.

Zuletzt hatte Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei die Demonstranten im Irak aufgefordert, ihren Forderungen "im rechtlichen Rahmen" Nachdruck zu verleihen. Der Irak unterhält enge, aber schwierige Beziehungen zum Nachbarland Iran sowie zu Teherans Erzfeind USA. Seit Beginn der Proteste werfen Demonstranten und ihre Gegner sich vor, jeweils von ausländischen Kräften unterstützt zu werden.

Seit Anfang Oktober gehen in Bagdad und anderen Städten im Süden des Landes Hunderttausende Menschen gegen die politische Elite auf die Straße, die sie für die gravierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes verantwortlich machen. Bei den teils gewaltsamen Protesten wurden bereits mehr als 250 Menschen getötet. Doch die Demonstranten lassen sich durch die Gewalt nicht einschüchtern.

Quelle: ntv.de, mau/AFP/rts/dpa

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