"Sie wollen uns erledigen" Putin: Westen hat den Krieg losgetreten
21.02.2023, 10:56 UhrIn seiner Rede zur Lage der Nation sagt Russlands Präsident, dass sein Land nur versuche, die Kämpfe in der Ukraine zu beenden. "Voll" verantwortlich für den Krieg sei der Westen. Dieser wolle einen lokalen Konflikt zu einem globalen machen.
Kurz vor dem ersten Jahrestag des von ihm angeordneten Einmarschs in die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin dem Westen die Schuld an dem Krieg gegeben. "Sie haben den Krieg losgetreten", sagte Putin mit Blick auf westliche Staaten in seiner Rede zur Lage der Nation. "Die Verantwortung für das Schüren des Ukraine-Konflikts, für seine Eskalation, für die vielen Opfer (...) liegt voll bei den westlichen Eliten." Er fügte hinzu, der Westen wolle Russland "ein für alle Mal erledigen".
Westliche Staaten versuchten, einen lokalen Konflikt zu einem globalen zu machen, sagte Putin. "Wir verstehen das so, und wir werden entsprechend reagieren", warnte er in seiner Ansprache vor den Vertretern der Föderalen Versammlung. Putin warf den westlichen Ländern vor, nach "grenzenloser Macht" zu streben. "Die Geldflüsse aus dem Westen in den Krieg nehmen nicht ab." Für den Westen stünden Billionen Dollar auf dem Spiel. Die westlichen Länder hätten schon vor langer Zeit damit begonnen, die Ukraine zu einer Art "Anti-Russland" zu machen. In vielen Regionen der Welt habe der Westen Chaos und Krieg gesät. "Der Westen hat den Geist aus der Flasche gelassen."
Einmal mehr sagte Putin, in der Ukraine sei ein "Neonazi-Regime" an der Macht. Die "militärische Spezialoperation", als die Moskau den Krieg bezeichnet, werde fortgesetzt. "Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen", sagte der 70-Jährige.
Urlaubsversprechen für Soldaten, modernere Armee
Russland habe sich bemüht, das Problem im Donbass friedlich zu lösen. In dem industriell geprägten Gebiet in der Ost-Ukraine tobten bereits Jahre vor Kriegsbeginn Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und pro-russischen Separatisten. Aber der Westen habe ein anderes Szenario vorbereitet, so Putin. "Sie haben den Krieg begonnen. Wir haben alles getan, um ihn zu stoppen."
Für russische Veteranen und die Familien von getöteten Soldaten kündigte er weitere finanzielle Unterstützung an. Putin wies die Regierung an, sich in Kooperation mit den einzelnen Regionen um die Einrichtung eines speziellen Staatsfonds zu kümmern. Sozialarbeiter sollten sich um die Familien mit Kriegstoten und Veteranen kümmern. Außerdem sollten alle, die kämpften, alle sechs Monate 14 Tage Urlaub machen können.
Daneben versprach der Kremlchef eine Modernisierung der russischen Armee. "Der Ausstattungsgrad der nuklearen Abschreckungskräfte Russlands mit neuesten Systemen beträgt jetzt 91,3 Prozent", sagte er. "Nun - unter Berücksichtigung unserer gesammelten Erfahrungen - müssen wir ein solch hohes Qualitätsniveau in allen Teilen der Streitkräfte erreichen."
Dem Westen wirft Putin Pädophilie vor
Mit Blick auf die internationalen Sanktionen gegen Russland äußerte Putin die Ansicht, dass der Westen "nichts erreicht hat und nichts erreichen wird". Die russische Wirtschaft hat bisher besser Stand gehalten als von vielen Experten erwartet. "Wir haben die Stabilität der wirtschaftlichen Situation sichergestellt", sagte Putin. Dem Westen sei es nicht gelungen, "unsere Gesellschaft zu destabilisieren".
Dem Westen wiederum hielt er vor, das eigene Volk kaputt zu machen - durch "die Zerstörung der Familien, der kulturellen und nationalen Identitäten, die Perversion und Misshandlung von Kindern bis hin zur Pädophilie". Priester müssten zudem homosexuelle Paare segnen.
Standing Ovations
Den von Moskau annektierten Gebieten in der Ukraine versprach Putin Wiederaufbau und Arbeitsplätze. Es werde auch neue große Programme für die Entwicklung der vier "neuen Subjekte" geben, kündigte er an. Es würden Betriebe wieder errichtet und neue Jobs geschaffen, sagte Putin unter dem Beifall Hunderter Zuhörer, die sich zu Ovationen von ihren Plätzen erhoben.
Bisher kontrolliert Russland allerdings nur einen Teil der völkerrechtswidrig annektierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Ukraine hat angekündigt, die Gebiete von der russischen Besatzung wieder zu befreien. Tausende Menschen sind bei den Kämpfen bereits gestorben. Bei einer Schweigeminute gedachten Putin und die Zuhörer der Kriegstoten.
An diesem Freitag, dem 24. Februar, wird es ein Jahr her sein, dass Russland offiziell den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Putins Auftritt war seine bislang 18. Rede zur Lage der Nation. Die vorherige ist bereits knapp zwei Jahre her und fand im April 2021 statt. Im vergangenen Jahr gab es keine; der Kremlchef hatte dies mit einer sehr hohen "Dynamik der Ereignisse" erklärt.
Quelle: ntv.de, chl/dpa/AFP/rts