Trotz erfundener Buchungen Regierung erwog wohl staatliche Wirecard-Rettung
16.03.2021, 17:38 Uhr
Wirecard gab an, mit Milliardensummen zu hantieren. Dann stellte sich heraus: Einen Großteil des Geldes gab es gar nicht.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Das komplette Ausmaß des Wirecard-Skandals ist noch nicht aufgearbeitet - doch schon ist klar: Der Konzern hat Milliardenbuchungen einfach erfunden. Die Bundesregierung wollte wohl trotzdem mit Krediten aushelfen. Das Risiko für den Steuerzahler schätzt Scholz' Ministerium dabei offenbar gering ein.
Das Bundesfinanzministerium hatte eine staatliche Rettung von Wirecard in Betracht gezogen, nachdem Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro bekanntgeworden waren. Das zeigen Dokumente, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen. Unter anderem ging es dabei um einen Kredit oder eine Bürgschaft der Staatsbank KfW. Wenige Stunden nach der folgenschweren Pressemitteilung am 22. Juni nachts um 02.48 Uhr, in der Wirecard das Fehlen der knapp zwei Milliarden Euro einräumte, verschickte der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Kukies, ein neunseitiges Dokument an Finanzminister Olaf Scholz, in dem Argumente für mögliche Staatshilfen dargelegt wurden.
Ein "Bank Run" könne Wirecard in Liquiditätsprobleme bringen. Das Unternehmen sei zudem ein wichtiger Anbieter für Zahlungsdienstleistungen, unter anderem für den Discounter Aldi. Weiter heißt es in dem Dokument an "M" - das Kürzel für Minister Scholz -, es sei nicht damit zu rechnen, dass die Banken Wirecard "über die Klinge springen lassen" würden. "Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Kreditinstitute und der Kurzfristigkeit der möglichen Kündigungen wird das Kreditrisiko als begrenzt eingeschätzt." Wirecard hatte bei mehreren Banken Kreditlinien über insgesamt rund zwei Milliarden Euro.
Die Überlegungen für Staatshilfen wurden in den folgenden Tagen ad acta gelegt. Auch weil es Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells von Wirecard gegeben habe, wie es in den Dokumenten heißt. Am 25. Juni meldete Wirecard Insolvenz an.
Bundesregierung wusste von den Risiken
Der "Spiegel" berichtet derweil von einem Telefongespräch, dass Staatsekretär Kukies mit dem Chef der staatlichen KfW-Bankentochter Ipex, Klaus Michalak, geführt haben soll. Darin sei es um die Möglichkeiten weiterer Kredite für Wirecard gegangen. Das Telefonat habe am 23. Juni stattgefunden, berichtet der "Spiegel". Also einen Tag nachdem auch der Bundesregierung durch die Pressemitteilung von Wirecard klar gewesen sein muss, dass der Konzern zumindest einen Teil seiner Liquidität nur vorgegaukelt hatte.
Die Opposition im Bundestag stört sich auch daran, dass Kukies den Kontakt zu Ex-Wirecard-Chef Markus Braun gepflegt hat, der seit dem Zusammenbruch der Firma in Untersuchungshaft sitzt. Durch den U-Ausschuss will die Opposition auch klären, inwieweit die Regierung Lobby für Wirecard etwa in China betrieben hat. Das Bundesfinanzministerium lehnt einen Kommentar ab. In früheren Aussagen des Ministeriums hieß es, Wirecard sei nicht bevorzugt behandelt worden.
Quelle: ntv.de, jhe/rts