Politik

"Alles teurer"Russische Exklave Kaliningrad leidet unter wirtschaftlicher Isolation

10.11.2025, 07:50 Uhr
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Für Russland hat die Exklave eine enorme strategische Bedeutung. (Foto: AFP)

Zwischen Litauen und Polen liegt die russische Exklave Kaliningrad - ohne Landweg nach Russland. Treibstoff vor Ort ist knapp, die wirtschaftliche Situation schlecht. Aber die Propaganda aus Moskau zeigt bei den Bewohnern offenbar weiter Wirkung.

Von der EU abgeriegelt und abgeschnitten von Russland: In der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad sind die Folgen von Moskaus Krieg in der Ukraine trotz der Ferne zur Front deutlich zu spüren. Benzin ist rar, viele Geschäfte sind geschlossen, alles ist teurer geworden. Dennoch halten viele Einwohner bedingungslos zum russischen Kremlchef Wladimir Putin. Seine Stadt sei "sicherlich keine, die kapituliert", sagt der Fabrikarbeiter Alexander trotzig.

Der 25-Jährige äußert sich im verregneten Stadtzentrum von Kaliningrad. Er zeigt sich stolz darauf, dass Russland über weitaus mehr Waffen verfüge als seine kleineren westlichen Nachbarn: Polen und Litauen wollten nur "angeben, ihre Stärke demonstrieren und ihre Grenzen verstärken", sagt Alexander.

Kaliningrad, die einstige ostpreußische Stadt Königsberg, wurde in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee erobert und der Sowjetunion zugeschlagen. Die Geburtsstadt des deutschen Philosophen Immanuel Kant gehört nun zu Russland. Seit dem Zerfall der Sowjetunion liegt sie isoliert zwischen Polen und Litauen - zwei Ländern, die der EU und der Nato angehören und zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine zählen.

Große militärische Bedeutung

Vilnius meldete erst kürzlich Verletzungen des litauischen Luftraums durch russische Kampfjets, über Polen wurden Drohnen gesichtet. In dem Land an der Nato-Ostflanke, das im Osten an die Ukraine grenzt, stiegen daraufhin Kampfjets auf. Polens Präsident Karol Nawrocki warf Russland vor, "auch andere Länder" angreifen zu wollen.

Das tausend Kilometer von Moskau entfernte Kaliningrad hat keine direkte Landverbindung nach Russland, ist für Moskau aber von großer strategischer und militärischer Bedeutung. Die Exklave beherbergt den Stützpunkt der russischen Ostseeflotte, und Moskau hat dort nach eigenen Angaben unter anderem atomwaffenfähige Iskander-Raketen stationiert, die Moskau regelmäßig auch in der Ukraine einsetzt.

Die harte Linie des Kreml findet bei vielen Menschen in Kaliningrad großen Anklang. Die 63-jährige Marina findet, die EU-Nachbarn der Region sollten sich lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. "Sollen sie doch kläffen und bellen", schimpft die Verkäuferin. "Ich bin in Kaliningrad hundertprozentig geschützt. Ich habe keine Angst vor der Nato."

Russische Kriegspropaganda im Stadtbild

Die Reiseleiterin Anna Dmitrik zeigt sich erleichtert, dass Kaliningrad - anders als andere russische Regionen - bislang von ukrainischen Drohnenangriffen verschont blieb. "Hier ist es ruhig", sagt sie, während sie russischen Touristen Kants Grab zeigt. "Wir haben im Moment keine Angst." Allerdings wisse sie nicht, "was als Nächstes passiert".

Denn die Stille trügt. Auch in Kaliningrad sind die Spuren des Krieges allgegenwärtig. Auf Plakaten werden Männer aufgefordert, sich freiwillig zu Russlands "siegreicher Armee" in der Ukraine zu melden. Der Buchstabe "Z", das Symbol der russischen Streitkräfte in der Ukraine, prangt im Großformat an zahlreichen Gebäuden.

Hinter der trotzigen Fassade der Kaliningrader verbirgt sich jedoch vielfach das Gefühl, schlechter gestellt zu sein als vor vier Jahren. So müssen Flugzeuge auf ihrem Weg nach Russland lange Umwege in Kauf nehmen, da der EU-Luftraum wegen der Sanktionen gegen Russland für sie gesperrt ist. Auch die Zugverbindung nach Moskau ist praktisch unterbrochen, denn Passagiere brauchen für den Transit durch Litauen ein Schengen-Visum.

Grenze nur formal offen

Die Grenze zu Polen ist formal zwar offen, doch dürfen nur Russen mit EU-Aufenthaltsgenehmigung einreisen. Früher "konnte man zum Einkaufen oder einfach nur zum Spazierengehen nach Polen fahren", sagt der 48-jährige Mechaniker Vitali Zypljankow und trauert den Zeiten hinterher, als noch Busse und Lastwagen hin- und herfuhren. "Damals war das Leben besser", sagt er.

In Russland ist die Inflation seit Beginn der Offensive in der Ukraine stark gestiegen. Die Sonderwirtschaftszone Kaliningrad, ein wichtiges Wirtschafts- und Handelszentrum, ist besonders betroffen. Früher profitierte die Exklave vor allem von den beiden eisfreien Häfen Kaliningrad und Baltijsk und ihren Straßen- und Schienenverbindungen. Doch der Verkehr in die Exklave ist praktisch zum Erliegen gekommen. Auch die meisten Tankstellen in Grenznähe haben keinen Nachschub, manche sind sogar ganz dicht.

Auch das riesige Einkaufszentrum "Baltia" auf dem Weg zum Flughafen hat schon bessere Zeiten gesehen. Das bekommt auch die Verkäuferin Irina zu spüren. "Die wirtschaftliche Lage in Kaliningrad ist sehr schlecht", sagt sie mit Verweis auf die "komplizierte Logistik". Produkte aus Russland gelangten nicht bis in die Stadt. Und wenn, dann sei "alles teurer".

Quelle: ntv.de, lme/AFP

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