Politik

Ukrainer offenbar in Kupjansk Russischen Verbänden droht Einkesselung

Der ukrainische Vorstoß im Osten der Ukraine könnte zum Fiasko für russische Verbände werden. Ukrainische Soldaten sollen bereits die strategisch wichtige Stadt Kupjansk betreten haben. Ein US-Think-Tanks sieht nun die Möglichkeit einer Einkesselung russischer Truppen.

Die ukrainischen Streitkräfte könnten vor einem weiteren größeren Erfolg im Osten der Ukraine stehen. Nach ihrem offensichtlichen Durchbruch durch russische Linien sollen sie mittlerweile rund 2500 Quadratkilometer Land in der Region Charkiw zurückerobert haben, schätzt der US-Think-Tank Institute for the Study of War (ISW) in seiner jüngsten Analyse. Kiews Truppen seien mittlerweile zu den Städten Kupjansk, Isjum und dem Fluss Oskil vorgestoßen. Die Ukrainer stünden womöglich davor, russische Verbände bei der Stadt Isjum einzukesseln.

Das ISW schlussfolgert unter Verweis auf Fotos aus der Region, dass ukrainische Truppen mittlerweile den südlichen Rand der strategisch äußerst bedeutenden Stadt Kupjansk erreicht haben. Durch Kupjansk führen mehrere Eisenbahn- und Straßenlinien, die Kleinstadt gilt daher als strategisch wichtig für den Nachschub der russischen Truppen im Donbass. Auch der britische Militärgeheimdienst geht laut seinem auf Twitter verbreiteten aktuellen Lagebericht davon aus, dass die Ukrainer bereits vor Kupjansk stehen. Sollte der Ort zurückerobert werden, wäre das ein "schwerer Schlag" für die russischen Truppen.

Und offenbar sind ukrainische Soldaten bereits in die Stadt vorgedrungen: Ukrainische Medien veröffentlichten ein Foto, das mehrere Soldaten mit einer ukrainischen Flagge im Zentrum von Kupjansk zeigen soll. Unter Berufung auf Mitglieder von Regional- und Kommunalverwaltung schrieb etwa das Portal Ukrajinska Prawda: "Die ukrainischen Streitkräfte haben Kupjansk befreit." Eine offizielle Bestätigung des Generalstabs gab es dafür zunächst nicht.

Ukrainer könnten "Kessel errichten"

Die Lage für die russischen Truppen in der Region könnte sich bald dramatisch zuspitzen, schlussfolgert das ISW. Denn die ukrainischen Verbände würden bei ihren Vorstößen die Nachschubwege russischer Verbände nahe der Stadt Isjum bedrohen. Gelinge ihnen das, dann "haben sie die Möglichkeit, einen Kessel um Isjum zu errichten und einen großen Teil der russischen Stellungen in der Nordostukraine zu zerschlagen". Unter russischen Bloggern werde bereits gemutmaßt, dass der heutige Samstag ein "entscheidender Tag" sein könnte, wenn es Russland nicht gelinge, rechtzeitig Reserven und eine fähige Führung aufzubauen, so das ISW.

Zuletzt berichteten allerdings mehrere russische Quellen, darunter die Online-Nachrichtenseite Readovka, dass die Stadt Isjum selbst bereits von russischen Truppen aufgegeben worden ist. Ob sich noch weitere Verbände weiter südlich der Stadt aufhalten, ist derzeit nicht bekannt.

Nordöstlich von Isjum ist der Fluss Oskil zu einem See aufgestaut, was eine natürliche Barriere für Truppen darstellt. Über den See führen jedoch zwei Brücken bei den Städten Senkowe und Gorochowatka, die das Hindernis passierbar machen und als Nachschublinie dienen können. Ukrainische Truppen sollen jedoch bereits die Stadt Senkowe erreicht haben und seien auf dem Weg nach Gorochowatka, berichtet das ISW unter Verweis auf russische Quellen. Auch gebe es bisher unbestätigte Berichte, dass ukrainische Truppen die Stadt Oskil am südlichen Ende des Stausees erreicht hätten, was die Nachschublinien nach Isjum "empfindlich stören" würde.

Weiter nördlich sei die in Kupjansk über den Oskil führende Brücke von ukrainischen Kräften zerstört worden, so das ISW in seiner Analyse. Dies werde "die Fähigkeit der russischen Streitkräfte, ihre Stellungen gegen ukrainische Angriffe zu versorgen und zu verstärken, beeinträchtigen". Von Kupjansk aus soll es auch Vorstöße in nördlicher Richtung geben, heißt es in der Analyse. So gebe es Hinweise darauf, dass die Ukrainer auf das russische Logistikzentrum Welykyj Burluk zumarschierten. Das ISW verweist zudem auf Berichte russischer Quellen, dass Truppen Kiews die Stadt Lyman südöstlich von Isjum angreifen würden.

Besatzer wollen Zivilisten evakuieren

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Auch mithilfe westlicher Waffen hat die ukrainische Armee vor einigen Wochen mit einer Gegenoffensive begonnen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach zuletzt von mehr als 30 zurückeroberten Siedlungen in der Region Charkiw. Die russischen Besatzer wiederum kündigten schon vor Tagen die Evakuierung von Zivilisten aus mehreren Orten - darunter Kupjansk und Isjum - an.

Das russische Verteidigungsministerium hat die mutmaßlichen Erfolge der ukrainischen Verbände bisher nicht bestätigt. Am Freitag hatte es aber Video-Aufnahmen veröffentlicht, die Truppenbewegungen in Richtung der ostukrainischen Region Charkiw zeigen sollen. Viele internationale Militärexperten sehen Russlands Armee, die vor mehr als sechs Monaten in die Ukraine einmarschiert ist, angesichts der jüngsten Gebietsverluste in einer schweren Krise.

Quelle: ntv.de, kst

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