Kritik an Kriegsführung Russischer Nationalist: Kopf des Fisches ist "völlig verrottet"
11.12.2022, 17:43 Uhr
Putin im Mantel, rechts von ihm Verteidigungsminister Sergej Schoigu: Öffentlich wird Putin bislang von der Kritik am Krieg, der nicht Krieg heißen darf, ausgenommen.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Der russische Nationalist Girkin, der vor Jahren schon eine unrühmliche Rolle in der Ukraine spielte, geht Präsident Putin hart an. Das Militär müsse mit kompetenten Leuten besetzt werden, fordert er. Die mittlere Ebene der Armee verberge nicht mehr den Unmut über Putin und den Verteidigungsminister.
Nach Angaben des bekannten russischen Nationalisten Igor Girkin gibt es unter russischen Offizieren in der Ukraine Unzufriedenheit über die Kriegsführung und Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der Militärblogger und ehemalige Offizier des Föderalen Sicherheitsdienstes FSB, der Russland 2014 bei der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine half, sagte in einem 90-minütigen Video, es gebe eine gewisse Unzufriedenheit mit der Führungsspitze.
Der "Kopf des Fisches (sei) völlig verrottet", so Girkin. Das russische Militär müsse reformiert und mit kompetenten Leuten besetzt werden, die eine erfolgreiche Militärkampagne führen könnten. "Es geht nicht nur mir so ... die Leute sind keineswegs blind und taub: die Leute auf der mittleren Ebene verbergen nicht einmal ihre Ansichten, die, wie soll ich sagen, nicht gerade schmeichelhaft für den Präsidenten oder den Verteidigungsminister sind", sagte Girkin in dem Video.
In Russland ist direkte öffentliche Kritik an Putin selten. Nationalistische Blogger haben sich aber bereits mehrfach kritisch über die Kriegsführung geäußert, insbesondere nach dem russischen Rückzug aus der ukrainischen Region Charkiw im September.
Das russische Verteidigungsministerium kommentierte die Äußerungen Girkins nicht. Das US-Militär schätzt, dass sowohl in Russland als auch in der Ukraine mehr als 100.000 Soldaten getötet oder verwundet wurden. Russland hatte kurz nach dem Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar Gesetze erlassen, die Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren für eine angebliche Verunglimpfung der Streitkräfte und bis zu 15 Jahren für die Verbreitung von angeblich absichtlich falschen Informationen vorsehen.
Girkin zur Fahndung ausgeschrieben
Nach Girkin, der einst "Verteidigungsminister" der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" war und der heute rund 735.000 Abonnenten bei Telegram hat, wird international gefahndet. Ihm wird der Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges über der Ukraine im Juli 2014 zur Last gelegt. Dabei kamen alle 298 Insassen ums Leben, unter ihnen auch 80 Kinder.
Das Institute for the Study of War betonte in seinem täglichen Update ebenfalls die wachsende Unzufriedenheit in den russisch besetzten östlichen Gebieten der Ukraine. Demnach sei die Kritik am Kreml dort, etwa von Girkin und Alexander Chodakowski, dem Ex-Sicherheitsminister der "Volksrepublik Donezk", so direkt wie nie zuvor. Girkin rügte Putin beispielsweise dafür, dass er die ukrainischen Streitkräfte nicht aus der Reichweite der Artillerie in der Stadt Donezk gedrängt habe. Russische Militärblogger werfen Moskau vor, bei der Verteidigung der Stadt Donezk keinen Gegenbeschuss durchgeführt zu haben.
Quelle: ntv.de, ghö/rts