"Das schrecklichste Szenario" Russland-Expertin: Putin hat sich "verpokert"
24.02.2022, 17:17 UhrViele haben sich eine solche Eskalation nicht vorstellen können: Selbst erfahrene Politikwissenschaftler wie Cindy Wittke hielten einen Angriff Russlands auf die Ukraine, der sogar die Hauptstadt zum Ziel hätte, nicht für wahrscheinlich. Doch auch Russland habe sich in mancher Einschätzung "verpokert".
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine rechnet NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht mit einem Angriff auf Bündnisgebiete der Europäischen Union. Auch die Politikwissenschaftlerin Cindy Wittke geht davon aus, dass "Russland es vermeiden wird, offen aggressiv gegenüber Staaten an der östlichen Grenze der NATO vorzugehen", wie die Leiterin der politikwissenschaftlichen Nachwuchsgruppe am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung im Interview mit ntv sagt. Dennoch: "Wir können davon ausgehen, dass es eventuell Verunsicherungen im Luftraum geben wird."

Cindy Wittke ist Politikwissenschaftlerin und Leiterin der politikwissenschaftlichen Nachwuchsgruppe am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung.
Das Ausmaß des russischen Militärangriffs in der Ukraine hat selbst die Politikwissenschaftlerin überrascht. Sie habe mit der Anerkennung der sogenannten Republiken Donezk und Luhansk gerechnet, weil Putin damit "eine sogenannte humanitäre Intervention" rechtfertigen könnte. Dass sogar die Hauptstadt Kiew angegriffen wird, "das war tatsächlich das schrecklichste Szenario".
Die Situation drohe im Laufe des Tages weiter zu eskalieren, so Wittke. Dennoch würde Russland nicht so weit gehen, NATO-Länder an der Westgrenze der Ukraine anzugreifen, sagt sie. Denn das würde "eine direkte Konfrontation zwischen der NATO und Russland" bedeuten.
NATO zeigt sich einig
Wittke bewertet die ersten Reaktionen der NATO und der EU als sehr positiv. Der russische Präsident Wladimir Putin habe in den letzten Tagen und Wochen durch Treffen mit verschiedenen westlichen Akteuren versucht, "den Westen zu verunsichern". Nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin ist ihm das aber nicht gelungen: "Man hat hier immer versucht, einen Keil zwischen die Akteure zu treiben, was offensichtlich nicht gelungen ist." Putin habe sich in dieser Hinsicht "verpokert".
Die Pressekonferenz, die NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gemeinsam mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel abhielt, zeige, wie geeint der Westen derzeit sei, sagt Wittke: "Eindeutiger kann es nicht sein, wie einig man sich gerade ist und wie eng man sich gerade abstimmt."
Quelle: ntv.de, cls