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Ukraine nennt hohe Verlustzahlen Russland pflastert Weg nach Awdijiwka mit eigenen Leichen

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Russische Ärzte operieren einen verletzten Soldaten in der Nähe von Bachmut - ein Bild aus dem November

Russische Ärzte operieren einen verletzten Soldaten in der Nähe von Bachmut - ein Bild aus dem November

(Foto: IMAGO/SNA)

Die russischen Truppen rücken weiter vor, doch der Preis, den sie dafür zahlen, ist hoch. Russland verliert enorm viele Soldaten und Geräte - am Samstag nach ukrainischen Berichten 1250 Menschen, verwundet oder getötet. Ein Ziel der verlustreichen Attacken: die Meinung im Westen.

Der ukrainische Generalstab berichtet von unverändert heftigen Gefechten am Boden. Ausländische Experten wie das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA beobachten, dass Russland mit seinen Vorstößen Geländegewinne erzielt. Allerdings laut ukrainischen Angriffen zu einem derzeit sehr hohen Preis: 1250 gefallene russische Soldaten in den letzten 24 Stunden gibt der Generalstab am Sonntag an. Das ist weit mehr als die übliche tägliche Verlustzahl, die meist deutlich unter 1000 liegt.

Auch die Verluste an russischem Gerät beziffert die Ukraine für den gestrigen Tag überdurchschnittlich hoch: So gibt der Generalstab der ukrainischen Armee die Zerstörung von 19 Panzern an, von 25 gepanzerten Transportfahrzeugen und 37 Artilleriesystemen.

Die hohen Zahlen passen zu den Frontberichten, die Dutzende russische Angriffe im Osten und Süden des Landes melden. Die meisten russischen Vorstöße gab es demnach erneut in der Stadt Awdijiwka und Umgebung im Donbass - registriert wurden 27 Gefechte. Sie seien abgewehrt worden, heißt es. Im Abendbericht des Generalstabs vom Samstag ist die Rede von insgesamt 71 Gefechten - ein leichter Rückgang nach 82 Gefechten am Freitag.

Schon seit Längerem analysieren Sicherheitsexperten, dass die russischen Truppen im unbedingten Willen, Awdijiwka einzunehmen, enorme Verluste an Soldatenleben hinnehmen. Unbeirrt schickt die russische Militärführung ihre Panzer auf die ukrainische Stadt, die inzwischen bereits eine Ruine ist. Seit Oktober haben sich die Zahlen nochmals erhöht, doch viele Panzer werden von ukrainischer Artillerie zerstört - allein bei Awdijiwka sollen es laut ukrainischen Berichten inzwischen 220 sein. Entsprechend attestieren britische und amerikanische Geheimdienste der russischen Armee geringe Gebietsgewinne zu einem enorm hohen Preis an Mensch und Material.

Auf Menschenleben nahm Russland allerdings von Beginn des Krieges an keine Rücksicht. Von den rund 360.000 Soldaten, die Moskaus Armee vor dem Krieg unter Vertrag hatte und die im Februar 2022 in den Krieg gegen die Ukraine zogen, sollen 315.000 verletzt oder getötet worden sein. So berechnet es eine US-Geheimdienstanalyse, die vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Die Verluste liegen demnach bei 87 Prozent der Ursprungsarmee - kaum einer der Kämpfer der ersten Tage ist noch unverletzt oder wenigstens am Leben.

Der Druck, der aktuell Kommandierende in verlustreiche Schlachten zwingt, kommt direkt aus Moskau. Die Meldung, mit Awdijiwka eine ukrainische Stadt eingenommen zu haben, käme Präsident Wladimir Putin sehr gelegen, um der russischen Bevölkerung vor den "Wahlen" im kommenden Frühjahr einen messbaren militärischen Erfolg in der Ukraine präsentieren zu können.

Russland will im Westen Zweifel säen

Darüber hinaus kalkuliert der Kreml, dass der Westen die Lust an der Unterstützung der ukrainischen Truppen verlieren könnte, wenn die Ukraine auf dem Schlachtfeld keine Erfolge mehr vorweisen kann. Nach der gescheiterten Sommeroffensive macht sich in den Unterstützerstaaten Pessimismus breit. Zweifel werden laut, ob die Ukraine überhaupt militärisch in der Lage ist, Russland zu besiegen. Um die öffentliche Meinung im Westen in diese Richtung zu treiben, ist Putin offenbar kein Preis zu hoch. Dabei ist die reale Lage laut Analyse des deutschen Sicherheitsexperten Nico Lange für Kiews Truppen besser als oft dargestellt.

"Viele vergessen, dass ein Großteil der gelieferten Panzer sowie Schützenpanzer noch vorhanden ist und eine Menge der zugesagten Waffen noch geliefert wird", sagte Politikberater Lange der Zeitung "Die Welt". Dazu zählen 200 deutsche Panzer des Typs Leopard-1. Erst 30 dieser 200 sind in der Ukraine bislang angekommen.

Westliches Flugabwehrgerät bewährt sich derzeit im ukrainischen Abwehrkampf. Zu den Erfolgen der Flugabwehr zählt Präsident Wolodymyr Selenskyj die Abschüsse ballistischer Raketen aus Russland - also solcher, die über keinen eigenen Antrieb verfügen. "Die von unseren Partnern zur Verfügung gestellten Patriots, Nasams, Geparden und anderen Systeme funktionieren perfekt", sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft am Samstag. Zugleich komme es darauf an, die Luftverteidigung über der Ukraine weiter zu verbessern, dies sei bei fast jedem seiner Kontakte mit ausländischen Partnern ein Thema.

In den vergangenen Nächten griff Russland auch mit Schwärmen von Kampfdrohnen an. Ziel sind wie im vergangenen Winter oft Anlagen der Energieversorgung. Allerdings ist die ukrainische Flugabwehr in diesem Winter auch gegen Drohnen deutlich besser gerüstet. In einer Woche wurden laut Darstellung des Präsidenten 104 von 112 angreifenden Shahed-Drohnen abgefangen. Trotzdem gab es nach Angaben ziviler Behörden Dutzende Verletzte und Schäden - auch in Kiew.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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