Angriffe auf ukrainische Städte Russland schießt alles ab, "was es in seinem Arsenal hat"
29.12.2023, 08:01 Uhr Artikel anhören
In Kiew waren mehrere Explosionen zu hören - und zu sehen.
(Foto: REUTERS)
Russland nimmt erneut große Städte in der Ukraine ins Visier. So werden Kiew, Lwiw und Charkiw in zwei Wellen zum Ziel von Raketen- und Drohnenangriffen. Experten warnen vor der russischen Taktik, erneut die Energieversorgung zu attackieren.
Russland hat die benachbarte Ukraine in der Nacht und am Freitagmorgen erneut massiv mit Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen. Landesweit habe es schwere Schäden gegeben, meldeten ukrainische Medien. So sei in der westlichen Stadt Lwiw bei einer Drohnenattacke unter anderem ein Infrastrukturobjekt getroffen worden.
Es soll sich um die schwersten Luftangriffe seit Langem handeln. "Derart viele rote feindliche Ziele haben wir seit Langem nicht mehr auf unseren Monitoren gehabt", sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. "Etwa 110 Raketen wurden gestartet, der größte Teil davon abgeschossen", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seinem Telegram-Kanal. Die bisher höchste offiziell gemeldete Zahl russischer Raketen, die an einem Tag auf die Ukraine abgefeuert worden waren, lag bei über 90.
Laut Selenskyj sind die Schäden im zivilen Bereich groß, eine Entbindungsstation, Bildungseinrichtungen, ein Einkaufszentrum und viele private Wohnhäuser seinen getroffen worden, teilte er mit. Die Aussagen unterlegte er mit einem Video, das unter anderem ein völlig zerstörtes Einkaufszentrum zeigte. "Heute hat Russland mit fast allem geschossen, was es in seinem Arsenal hat - mit Kinschal, S-300, Marschflugkörpern, Drohnen. Strategische Bomber haben Ch-101/Ch-505 (russische Marschflugkörper) abgefeuert", schrieb Selenskyj.
Im südukrainischen Odessa gab es durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne einen Hochhausbrand. Im nordöstlichen Charkiw gab es mehrere Explosionen nach Raketenangriffen. Auch in der Hauptstadt Kiew musste am Morgen die Flugabwehr tätig werden. Behördenangaben zufolge kamen bei den Angriffen 12 Menschen ums Leben, 75 weitere wurden verletzt. Schon in der Nacht hatte Russland die Ukraine aus mehreren Richtungen mit Drohnen und Raketen angegriffen. Lwiw sei von mehr als zehn Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed attackiert worden, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj auf Telegram mit. Es soll mehrere Einschläge gegeben haben.
Im Gebiet Sumy wurden durch den Einschlag einer Rakete in der Stadt Konotop drei Menschen verletzt, ein Mehrfamilienhaus und eine Werkstatt beschädigt. In Charkiw seien nachts ebenfalls mehr als zehn Raketen heruntergegangen. Zunächst gab es keine offiziellen Angaben zu Verletzten. Die Höhe der Schäden müsse überprüft werden, hieß es.
Am Morgen folgte die zweite Welle der Luftangriffe. Wegen der Attacken wurde landesweit Luftalarm ausgelöst. Die Ukrainer waren dazu aufgerufen, sich in Luftschutzkeller zu begeben. Auch die Hauptstadt Kiew und die Industriestadt Dnipro gerieten ins Visier der Russen. Aus beiden Millionenstädten wurden Explosionen gemeldet. Unklar war zunächst noch, ob es sich dabei um Einschläge der russischen Raketen oder deren Abschuss durch die Flugabwehr handelte. In der Hauptstadt sei ein Gebäude durch herabstürzende Trümmer in Brand geraten.
Russland hat vor mehr als 22 Monaten seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet und beschießt immer wieder auch zivile Ziele weit hinter der Front. Im vergangenen Winter waren vor allem Objekte der Energieversorgung Ziel russischer Angriffe. Experten warnen vor einer Wiederholung dieser Taktik in diesem Winter. Ziel Moskaus ist es, die Ukrainer in Kälte und Dunkelheit zu stürzen, um die Kriegsmüdigkeit zu erhöhen. Angriffe auf zivile Objekte gelten als Kriegsverbrechen.
Selenskyj ruft für 2024 zum Kampf gegen Russland auf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Abend zuvor angesichts unsicherer Militärhilfen für das nächste Jahr die Weltgemeinschaft mit Nachdruck zum gemeinsamen Kampf gegen Russlands Aggression aufgerufen. "Der russische Terror muss besiegt werden. Terror muss immer scheitern. Und alle von uns in der freien Welt müssen das zusammen sicherstellen", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache kurz vor Ende des Jahres. Es müsse alles dafür getan werden, dass im kommenden Jahr alle "gemeinsam Stärke" zeigten. Selenskyj dankte etwa Papst Franziskus für dessen Friedenswünsche für die Ukraine und den USA für ein neues militärisches Hilfspaket.
Die Vereinigten Staaten hätten neue Raketen für die Flugabwehr geliefert sowie Marschflugkörper vom Typ Himars, Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter sowie zusätzliche gepanzerte Fahrzeuge. "Alles, was wir brauchen", sagte Selenskyj. Das ukrainische Militär betont immer wieder, dass es für den Abwehrkampf gegen den seit mehr als 22 Monaten laufenden russischen Angriffskrieg noch viel mehr Munition benötige. Die westlichen Verbündeten haben teils Lieferprobleme.
Quelle: ntv.de, mba/dpa