Der Kriegstag im Überblick Russland überzieht Ukraine mit Angriffen - Owsjannikowa flieht mit Tochter
17.10.2022, 21:28 Uhr
Eine Explosion riss ein großes Loch in ein mehrstöckiges Wohnhaus nahe dem Kiewer Hauptbahnhof.
(Foto: dpa)
Erneut werden Menschen in weiten Teilen der Ukraine durch Explosionen aus dem Schlaf gerissen. Es gibt Tote und Verletzte - sogar im Zentrum von Kiew. Neben Raketen setzt Moskau dieses Mal offenbar verstärkt auf Kampfdrohnen. Russische Angriffe gibt es auch in den Gebieten Sumy, Dnipropetrowsk und Odessa. Der 236. Kriegstag im Überblick.
Drohnen auf Kiew
Eine Woche nach den schweren Raketenangriffen gegen die Ukraine hat Russland das Nachbarland am Montag mitten im morgendlichen Berufsverkehr erneut mit Luftschlägen überzogen. Mehrere Menschen starben, viele wurden verletzt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Moskau staatlichen Terrorismus vor. Seine Regierung forderte die baldige Lieferung westlicher Systeme zur Luftverteidigung und ein neues Sanktionspaket gegen Russland. International lösten die Angriffe Entsetzen aus. Insgesamt fünf Einschläge erschütterten die Millionen-Metropole im Laufe des Vormittags. Eine Explosion riss ein großes Loch in ein mehrstöckiges Wohnhaus unweit vom Hauptbahnhof. Steine flogen durch die Luft, dichter Rauch stieg auf. Insgesamt vier Menschen wurden amtlichen Angaben zufolge in dem Gebäude getötet, darunter eine schwangere Frau. Selenskyj und Klitschko riefen die Menschen auf, in der schwierigen Zeit weiter zusammenzustehen. "Der Feind kann unsere Städte angreifen, aber er wird uns nicht brechen", schrieb Selenskyj im Nachrichtenkanal Telegram.
Der neue UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk nannte die neuen Angriffe "zutiefst verstörend". Zivile Objekte und Zivilisten dürften nicht angegriffen werden. Das sei in dicht besiedelten städtischen Gebieten aber "sehr schwierig", sagte der Österreicher nach seinem Amtsantritt in Genf.
Moskau meldet Raketenschläge gegen Energie-Infrastruktur
Nach den Explosionen in Kiew und anderen Städten bestätigte Russland den erneuten Beschuss des Landes mit Raketen. Mit vom Meer und aus der Luft abgeschossenen Raketen seien Schläge gegen die Energie-Infrastruktur und militärische Objekte des Nachbarlandes ausgeführt worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. "Alle anvisierten Objekte wurden getroffen", sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow. Dagegen berichtete etwa in der Hauptstadt Kiew Bürgermeister Vitali Klitschko, dass die meisten Angriffe von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen worden seien. Berichte über russische Angriffe gab es am Montag auch aus den Gebieten Sumy, Dnipropetrowsk und Odessa. In Moskau sagte Ministeriumssprecher Konaschenkow, es seien in einigen Gebieten Munitionslager getroffen worden. Beschossen worden seien auch die Gebiete Charkiw und Donezk. Im Raum Mykolajiw seien ein Treibstofflager und ein Reparaturbetrieb mit Militär zerstört worden.
Ukraine und Russland tauschen Gefangene aus
Beide Seiten haben ein weiteres Mal viele Gefangene ausgetauscht. 108 gefangene ukrainische Soldatinnen und Zivilistinnen kehrten in ihre Heimat zurück, wie das Präsidialamt der Ukraine in Kiew mitteilte. "Die Ukraine lässt niemanden in Stich", schrieb Stabschef Andrij Jermak auf Telegram. Auf russischer Seite bestätigten das Verteidigungsministerium in Moskau und die Separatisten in Donezk die Heimkehr von 110 Gefangenen. Dazu zählten 72 russische Seeleute von zivilen Schiffen, die seit Beginn des Krieges im Februar in der Ukraine festgehalten worden seien.
Russisches Militärflugzeug stürzt über Wohngebiet nahe Ukraine ab
Beim Absturz eines russischen Militärflugzeugs über einem Wohngebiet im Südwesten des Landes sind mindestens zwei Menschen getötet worden. Die Maschine stürzte über der Stadt Jeisk nahe der Grenze zur Ukraine ab, wie russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau meldeten. Die Maschine vom Typ Suchoi-34 sei in den Hof eines Wohnkomplexes gestürzt, der Treibstoff des Flugzeugs sei in Brand geraten, erklärte das Ministerium den Agenturen zufolge. In Online-Netzwerken veröffentlichte Bilder zeigten ein brennendes Wohngebäude.
Melnyk-Nachfolger bleibt Linie treu
Der designierte neue Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, erwartet einen Sieg seines Landes im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. "Die deutsche Bevölkerung unterstützt die Ukraine so stark, dass ich sicher bin, dass wir gemeinsam mit Deutschland und allen anderen europäischen Partnern den Krieg gewinnen werden! Je schneller, desto besser", sagte er der "Bild"-Zeitung. Sein Botschaftsteam und er würden "jeden Tag einen enormen Beitrag zum Sieg leisten", versicherte er.
Regierungskritikerin Owsjannikowa mit Tochter aus Russland geflohen
Die durch ihren Live-Protest gegen den Militäreinsatz in der Ukraine bekannt gewordene russische Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa ist mit ihrer Tochter aus Russland geflohen. "Owsjannikowa und ihre Tochter haben Russland verlassen", sagte ihr Anwalt Dmitri Sachatow der Nachrichtenagentur AFP. "Sie sind jetzt in Europa. Es geht ihnen gut." Vor ihrer Flucht ins Ausland hatte Owsjannikowa nach Angaben ihres Anwalts die Wohnung verlassen, in der sie in Russland unter Hausarrest stand. Owsjannikowa werde sich zu einem späteren Zeitpunkt öffentlich zu ihrer Flucht äußern, "aber im Moment ist es nicht sicher", sagte Sachatow.
Vor zwei Wochen war Owsjannikowa in Russland auf eine Fahndungsliste gesetzt worden, was darauf hindeutete, dass die 44-Jährige untergetaucht war. Gegen Owsjannikowa war im August wegen der "Verbreitung von Falschinformationen" über die russische Armee Anklage erhoben worden. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft.
EU-Außenminister beschließen neue Ukraine-Mission
Die Außenminister der Europäischen Union beschlossen eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine. Sie solle den ukrainischen Streitkräften helfen, ihren "mutigen Kampf" gegen Russland fortzusetzen, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des Außenrats in Luxemburg. Wie von Borrell vorgeschlagen, stockten die EU-Länder zudem die Militärhilfe für die Ukraine auf. Nach seinen Angaben stehen nun insgesamt 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung, rund 500 Millionen Euro mehr als bisher.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte zuvor bestätigt, dass rund 15.000 Soldaten aus der Ukraine auf EU-Gebiet ausgebildet werden sollen. Deutschland will dem Vernehmen nach rund 5000 Soldaten schulen. Die EU wolle "die Ukraine bestmöglich bei ihrem Selbstverteidigungsrecht unterstützen", betonte Baerbock.
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Quelle: ntv.de, mba/dpa/AFP