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Dörfer erobert, Panzer verloren Russland zahlt hohen Preis für Vormarsch in Donezk

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Das russische Geschütz vom Typ "Giatsint-B" feuert in Richtung ukrainischer Stellungen.

Das russische Geschütz vom Typ "Giatsint-B" feuert in Richtung ukrainischer Stellungen.

(Foto: picture alliance/dpa/Russian Defense Ministry Press Service/AP)

Der Kreml feiert kleinste Erfolg groß und verschweigt darüber oft die Verluste. So steht der Einnahme zweier Dörfer in der Region Donezk erneut die Zerstörung von Panzern durch Kiews Truppen gegenüber. Der russische Aufwand ist nach wie vor hoch, der Schaden auch.

Die russischen Truppen haben bei ihrem Vormarsch in der ostukrainischen Region Donezk erneut Erfolge vermeldet. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete die Einnahme der Dörfer Progress und Jewheniwka. Eine Bestätigung von ukrainischer Seite für Jewheniwka gab es zunächst nicht. Der regierungsnahe ukrainische Militärkanal Deep State hatte allerdings schon vor Tagen bei Telegram berichtet, das seit drei Monaten umkämpfte Dorf Progress im Kreis Pokrowsk sei von russischen Truppen besetzt worden.

In Progress war es russischen Truppen gelungen, Hunderte ukrainische Soldaten einzukesseln. Trotz Unterstützung weiterer Truppen gelang die Befreiung zunächst nicht - bis zum Donnerstag. Dann wurde vermeldet, dass die eingeschlossenen Soldaten sich den Weg freikämpfen konnten. Es hieß, dass sie unversehrt seien.

Die aktuellen russischen Angaben sind von unabhängiger Seite nicht überprüfbar. Allerdings haben die russischen Truppen seit Jahresbeginn auch nach Einschätzung westlicher Militärexperten zahlreiche Städte und Dörfer im Donbass in der Ostukraine unter ihre Kontrolle gebracht.

Russland verliert erneut gepanzerte Fahrzeuge

Nicht weit von den beiden Ortschaften entfernt, erlebten die russischen Truppen jedoch erneut einen Rückschlag. Bei einem Angriff auf die Ortschaft Krasnogorowka - 25 Kilometer südlich von Progress - verloren sie offenbar jeweils zwei Panzer und Schützenpanzer. In sozialen Medien ist von einer Kombination aus Minen und von ukrainischen Drohnen abgeworfener Munition die Rede, die die russischen Panzer zerstörten. In einem weiteren Video ist zu sehen, wie offenbar russische Truppen mit insgesamt sechs Fahrzeugen einen Vorstoß zu unternehmen versuchen. Viele Soldaten haben offenbar fliehen können.

Nur etwa 15 Kilometer westlich von Krasnogorowka erlebten die russischen Truppen kürzlich ein regelrechtes Debakel. Dort boten sie eine noch viel größere Zahl von Fahrzeugen und Soldaten auf und fuhren Richtung Kurachowe. 57 gepanzerte Fahrzeuge und 12 Motorräder wurden gezählt, dazu 200 Infanteristen. Die ukrainischen Verteidiger berichteten, dass sie den Großangriff abwehren konnten. Dabei wollen sie sechs Panzer und sieben gepanzerte Fahrzeuge, sowie alle Motorräder zerstört haben. Die Angaben können nicht überprüft werden. Videos in sozialen Medien zeigen aber tatsächlich eine große Zahl von Fahrzeugen bei einem Vorstoß und wie ein Teil von ihnen getroffen wird.

Westliche Experten, allen voran das "Institute for the Study of War" (ISW), zeigten sich überrascht über die russische Taktik. In ihren Augen zeige sich dabei eine "mangelnde Weitsicht" der Russen. "Die anhaltende Bereitschaft des Militärkommandos, hohe Verluste für geringe taktische Gewinne in Kauf zu nehmen, wird zunehmend erhebliche Kosten für die russischen Streitkräfte verursachen, da sich die Engpässe der russischen Streitkräfte in den kommenden Jahren verschärfen werden", schrieb die US-Denkfabrik in ihrer Analyse.

Das russische Militär verfügt zwar über große Reserven an Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, allerdings sind auch diese nicht unerschöpflich. Daher verwundere es, dass die gepanzerten Fahrzeuge nicht für operativ bedeutsame Ziele aufgespart würden, so das ISW. Das russische Militär hat knapp zweieinhalb Jahre nach Beginn seiner Invasion bereits in erheblichem Maß Militärgerät in der Ukraine verloren. Das unabhängige Portal Oryx dokumentiert diese Verluste auf Basis von Videos und Fotos. Demnach ist die Zahl von Panzern um 3271 gesunken - durch Zerstörung, Beschädigung oder die Eroberung durch ukrainische Truppen. Die Zahl verlorener gepanzerter Kampffahrzeuge und Truppentransporter liegt bei rund 6000.

Kreml setzt auf veraltetes Kriegsgerät

Westliche Experten stellen seit geraumer Zeit fest, dass Panzer und Schützenpanzer, die Russland neu in die Ukraine verlegt, immer älterer Bauart sind - aus den 50er- und 60er-Jahren. In sozialen Medien tauchen teils sogar Bilder von Artilleriegeschützen auf, die aus den 40er-Jahren stammen sollen. Der Kreml hat Russland zwar mittlerweile klar auf Kriegswirtschaft umgestellt, kann aber nicht so schnell Kriegsgerät produzieren, wie es in der Ukraine derzeit verloren geht. Daher wird auf Material in den großen russischen Lagerstätten zurückgegriffen. Dieses schwindet allerdings, und zwar enorm schnell.

Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete seit Jahresbeginn Dutzende Eroberungen in den annektierten Gebieten Luhansk und Donezk und auch in der überwiegend von der Ukraine kontrollierten Region Charkiw. Russisches Kriegsziel ist es, die annektierten, aber bisher nicht vollständig kontrollierten ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk vollständig zu besetzen. Eine offizielle Bestätigung in Kiew für die Gebietsverluste gibt es in der Regel nicht.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Militärhilfe gegen den russischen Angriffskrieg. Etwa ein Fünftel des Landes ist von russischen Truppen besetzt.

Quelle: ntv.de, als/dpa

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