Politik

Streit um CDU-Ministerin Reiche SPD lehnt höheres Renteneintrittsalter entschieden ab

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Bundeswirtschaftsministerin Reiche hält die Finanzierung der Renten mit den bestehenden Altersgrenzen für gefährdet. Doch ihre Forderung nach längerer Lebensarbeitszeit stößt bei der SPD auf entschiedenen Widerstand. Beendet ist die Debatte damit nicht.

Die Einlassungen von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche zur Zukunft der Rente stoßen beim Koalitionspartner der Union auf entschiedenen Widerstand. "Wenn wir jetzt das Renteneintrittsalter auf gesetzlicher Ebene weiter erhöhen würden, dann würde es nichts anderes bedeuten als eine Rentenkürzung. Und das ist etwas, was mit uns nicht zu machen ist", sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf in der ntv-Sendung Frühstart. Kritik kommt neben der SPD auch von den Oppositionsparteien Grüne und Linke - sowie aus Teilen der Union selbst.

Die christdemokratische Wirtschaftsministerin Reiche hatte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag gesagt, die Lebensarbeitszeit müsse steigen. Der demografische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machten das "unumgänglich". Es könne "jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen". Was im Koalitionsvertrag an Reformen stehe, werde auf Dauer nicht reichen, fügte Reiche hinzu.

SPD setzt auf Zuwanderung und weniger Teilzeit

Klüssendorf sagte zu Reiches Forderungen nach einer längeren Lebensarbeitszeit: "Nein, da gehe ich nicht mit. Das ist ja auch bekannt, dass die Sozialdemokratische Partei da eine ganz andere Position dazu hat."Klüssendorf sagte weiter: "Wir haben andere Vorstellungen. Es geht für uns darum, die Zahl der Einzahlenden zu erhöhen, indem Frauen zum Beispiel in die Lage versetzt werden, mehr zu arbeiten, wenn sie denn wollen." Die SPD wolle mit der Union darüber sprechen, ob die Gruppe derjenigen erweitert werden könne, die in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt. "Aber eine Renteneintrittsaltersanhebung kommt für uns nicht in Frage", so Klüssendorf.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Sebastian Roloff, kritisierte im "Spiegel", Deutschland brauche zwar mehr Arbeitskraft, "das kann man aber nicht pauschal über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters erzwingen". Dagmar Schmidt, Fraktionsvize des Koalitionspartners SPD, sagte den Funke-Zeitungen, Reiche argumentiere mit irreführenden Zahlen zur Arbeitsbelastung in Deutschland. "Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen ist seit Mitte der 2000er Jahre deutlich angestiegen. Es arbeiten mehr Menschen, davon insbesondere viele Frauen, in Teilzeit. Würden sie alle ihre Arbeit kündigen, stiege das durchschnittliche Arbeitsvolumen."

Die Ministerin hatte in ihrem Interview einen internationalen Vergleich gezogen: Unternehmen berichteten ihr, dass ihre Beschäftigten am US-Standort 1800 Stunden pro Jahr arbeiteten, in Deutschland aber nur 1340 Stunden.

Der Ball liegt bei Bas

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas will mit ihrem ersten Rentengesetz, das sich in der Kabinettsabstimmung befindet, das Rentenniveau mit Milliardensummen bei 48 Prozent sichern. Die SPD-Vorsitzende setzt damit ein SPD-Wahlkampfversprechen um. Allerdings gibt es die Rentengarantie nur um den Preis wachsender Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt und steigender Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Zugleich hat Bas Gesetzentwürfe für die Frühstartrente und die Aktivrente eingebracht, die es aus dem Unionswahlprogramm in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Die kapitalmarktgestützte Zusatzrente für kommende Generationen sowie die Möglichkeit, bis zu 2000 Euro steuerfrei über das Rentenalter hinaus zu beziehen, sollen den Finanzierungsdruck der Rentenversicherung mindern.

Ferner fällt unter Bas' Aufsicht die Einberufung einer Kommission zur Zukunft der Rentenfinanzierung. Union und SPD wollen möglichst im kommenden Jahr konkrete Vorschläge dieser Kommission aufs Gleis setzen, um die wachsende Lücke zwischen Rentenbeziehern und -einzahlern nicht immer weiter auseinanderklaffen zu lassen.

CDU-Arbeitnehmerflügel spricht von "Fehlbesetzung"

Doch auch innerhalb der Union ist Reiches Vorstoß umstritten: Der CDU-Sozialflügel (CDA) kritisierte Reiches Aussagen am Wochenende scharf. CDA-Bundesvize Christian Bäumler sagte, ihre Forderungen hätten keine Grundlage im Koalitionsvertrag. "Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung", sagte er.

Ablehnung machten zudem Grüne und Linke deutlich. Das Renteneintrittsalter steige ohnehin schon bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Dass Frau Reiche das einfach ignoriert, zeigt, dass sie sich nicht an der Realität im Land orientiert, sondern ideologisch Phrasen drischt."

Linken-Chefin Ines Schwerdtner rügte Reiches Aussagen ebenfalls. Die Ministerin beteilige sich "nahtlos an der Kampagne der Arbeitgeberseite gegen den Sozialstaat", sagte Schwerdtner dem RND. Sie warf Reiche Parteinahme für die Wirtschaft vor. "Nach 40 Jahren Arbeit sollte jeder eine armutsfeste Rente erhalten und nicht gezwungen werden, weiter zu arbeiten."

Quelle: ntv.de

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