Politik

Zwischenfazit zur Berateraffäre SPD wirft von der Leyen "zwei Skandale" vor

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(Foto: dpa)

Nach gut einem halben Jahr der Wahrheitssuche im Untersuchungsausschuss zur Affäre um illegale Aufträge gehen die Sozialdemokraten hart ins Gericht mit der Verteidigungsministerin. SPD-Ausschussmitglied Dennis Rohde nennt die Vorgänge ein "verheerendes Zeichen in einem Rechtsstaat".

n-tv.de: Herr Rohde, wie sieht bisher Ihr Fazit des Untersuchungsausschusses aus?

Dennis Rohde: Die Affäre hat für mich zwei Stränge. Der eine ist, dass offenbar im großen Stil Aufträge an externe Berater rechtswidrig vergeben und dabei offensichtlich Firmen bevorzugt wurden, die einen guten Draht ins Verteidigungsministerium hatten.

Dennis Rohde ist Sprecher seiner Fraktion im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre.

Dennis Rohde ist Sprecher seiner Fraktion im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre.

(Foto: imago/Christian Ditsch)

Der zweite Skandal ist die Art und Weise, wie das Ministerium die Aufklärung der Affäre angeht oder eben nicht angeht. Es ist ein Unding, dass jeder Vertreter des Ministeriums oder der nachgeordneten Behörden fast reflexartig die Schuld auf den anderen schiebt und sich selbst einen Persilschein ausstellt. Genau das erleben wir bei etlichen Zeugenbefragungen. Es gibt allerdings noch eine zweite Möglichkeit, warum niemandem die Verantwortung für die Rechtsverstöße zugewiesen werden kann.

Die da wäre?

Im Verteidigungsministerium ist wirklich keiner für irgendetwas verantwortlich, im Zweifel ist man dann "nicht zuständig". Offenbar gibt es keine klare Zuordnung von Verantwortung für Entscheidungen. Falls es so ist, wäre es skandalös.

Diesen Vorwurf müssten Sie direkt an Frau von der Leyen adressieren.

Die politische Verantwortung läge in diesem Fall natürlich bei der Leitungsebene des Ministeriums und am Ende bei der Ministerin. Die offenen Fragen, wie dieses Verantwortungs-Ping-Pong überhaupt möglich sein kann, warum die Vorgänge in ihrem Haus ungenügend aufgearbeitet wurden und warum gegen keinen einzigen Beamten disziplinarisch vorgegangen worden ist, werden wir der Ministerin im Untersuchungsausschuss mit Sicherheit stellen. Nachvollziehen kann ich das alles nicht. Das alles ist ein verheerendes Zeichen in einem Rechtsstaat, insbesondere mit Blick auf die rechtstreuen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr.

Den Rücktritt von der Leyens oder ihres Rüstungsstaatssekretärs fordern Sie aber trotzdem nicht. Hat das mit der Koalitionsdisziplin zu tun?

Wir haben uns bisher in ein konkretes Vergabeprojekt im Untersuchungsausschuss eingearbeitet. Vor uns liegt noch eine Menge Arbeit und ein riesiger Stapel offener Fragen. Die Ministerin, ihre damaligen und heutigen Staatssekretäre stehen noch auf der Liste der kommenden Zeugen und werden von uns vorgeladen werden. Bisher hat es die Ministerin jedenfalls versäumt, schonungslos aufzuklären.

Ihr Fazit hätte auch schon Ende 2018 so aussehen können. Dafür bedurfte es im Grunde nicht des gewaltigen Aufwandes einer parlamentarischen Untersuchung.

Hier muss ich widersprechen. Vor einem halben Jahr erhielt der Verteidigungsausschuss einen Bericht zum Ergebnis der ministeriumsinternen Ermittlungen in der Sache, der auf vielen Seiten wortreich darlegte, dass die Vorgänge nicht mehr nachvollziehbar gewesen seien, weshalb auch keine Anhaltspunkte für individuelle Rechtsverstöße sichtbar geworden seien. Das klang damals zumindest oberflächlich plausibel. Nun aber wissen wir, dass die Erkenntnisse des Ministeriums teilweise erheblich im Widerspruch zu den heutigen Erkenntnissen stehen. Das lassen wir nicht durchgehen - und das werden wir jetzt umso konsequenter aufarbeiten.

Woran machen Sie Ihre Kritik fest?

Der Bericht sagt zum Beispiel aus, dass es keine Vorfestlegung des Ministeriums für die Beraterfirma Accenture gegeben habe. Durch die Zeugenanhörungen steht jedoch fest, dass alles getan wurde, um Accenture anzuheuern und niemand die Rechtmäßigkeit geprüft hat. Die Firma hat ja sogar vor Vertragsschluss schon angefangen zu arbeiten. Zudem muss die Behauptung von Andreas Conradi, dem Chef der Rechtsabteilung des Ministeriums, angezweifelt werden, dass die für Rüstung zuständige Ex-Staatssekretärin Katrin Suder nicht in die nebulösen Vorgänge involviert gewesen sei.

Warum?

Als Zeuge vor dem Ausschuss musste er einräumen, Frau Suder gar nicht nach den konkreten Umständen befragt zu haben. Woher weiß er dann, dass sie angeblich nichts gewusst hat? Das belegt die sehr, sagen wir, eigenwillige Aufklärungsarbeit des Herrn Conradi. Aber es ist nicht glaubwürdig. Er hatte offenkundig kein ernsthaftes Interesse an der Aufklärung der Affäre.

Wie sehen Sie Conradis Zwitter-Rolle als ständiger Beobachter der Regierung im Ausschuss und als Zeuge vor dem Ausschuss?

Überaus kritisch. Er leitete die ministeriumsinternen Ermittlungen. Die offenkundigen Defizite bei der Umsetzung der rechtlichen Vorgaben hätte das Ministerium herausarbeiten und ahnden müssen. Daneben fällt deutlich auf: Entscheidende Fragen wurden bewusst nicht gestellt. Dass dies nicht geschehen ist, geht vor allem auf die Kappe von Herrn Conradi.

Sehen Sie es als Problem an, dass er weiterhin bei jeder Zeugenvernehmung als Vertreter der Regierung anwesend ist?

Herr Conradi ist als Vertreter des Verteidigungsministeriums im Untersuchungsausschuss nicht mehr tragbar. Die Ministerin erweist dem Gremium und ihm selbst einen Bärendienst, wenn sie ihn weiter dort sitzen lässt. Er muss zwingend abgezogen werden.

Mit Dennis Rohde sprach Thomas Schmoll

Quelle: ntv.de

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